Eltern sind verzweifelt
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Sie sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder und sind damit nicht allein: Insgesamt 60 Väter und Mütter haben sich per Unterschrift gegen die Umstrukturierung der Kita St. Katharina ausgesprochen.
© Quelle: Foto: Nadine Weigel
Stadtallendorf. „Es war schrecklich. Als ich ihr das erzählt habe, hat meine Tochter so fürchterlich geweint, dass ich mitweinen musste“, erzählt Miriam Schudy. Die junge Mutter gehört zu den rund 60 Eltern, die sich gegen eine geplante Umstrukturierung innerhalb der katholischen Kindertagesstätte St. Katharina wehren. „Die Kinder werden dadurch aus ihren Gruppen herausgerissen und das ohne plausiblen Grund“, klagen die Eltern. Vor der Pandemie war es in St. Katharina so, dass es eine Mäuse-, eine Bären- und eine Pinguingruppe gab und die Kinder in ihren jeweiligen Gruppen in drei verschiedenen Zeit-Modulen betreut wurden. Von März 2020 bis Juli 2021 musste die Kita um 15 Uhr schließen, da aufgrund pandemiebedingter Personalnot die Nachmittagsbetreuung bis 16.30 Uhr nicht mehr möglich war.
Nun will die Katholische Kirchengemeinde Heilig Geist ihre sechs Kitas dahingehend umstrukturieren, dass die Kinder in Zeitmodul-Gruppen eingeteilt werden – altersübergreifend. Nach einem ohnehin anstrengenden Corona-Jahr eine Katastrophe, finden die Eltern. „Für meine Tochter wäre das schlimm. Sie hat ein Jahr gebraucht, um Freunde zu gewinnen, und jetzt muss ich ihr sagen, dass sie in eine andere Gruppe mit anderen Kindern und anderen Erziehern kommt“, kritisiert Ivana Müller und erntet zustimmendes Nicken von Schudy, deren Tochter mit dem neuen System von ihrer besten Freundin getrennt würde.
Auch Nicole Gärtling ist unzufrieden: „Der 15-Uhr-Platz war bislang erst nur ab 7.30 Uhr. Da ich aber meine Kinder wegen meiner Arbeit bereits um 7 Uhr bringen muss, war ich gezwungen, den Platz bis 16.30 Uhr zu nehmen, weil der ab 7 Uhr war“, erklärt die Mutter. „Jetzt heißt es plötzlich, dass der 15-Uhr-Platz auch schon ab 7 Uhr geht, ich aber erst ab Januar wechseln kann. Das bedeutet, dass mein Kind jetzt die Gruppe wechseln muss – und dann im Januar nochmal, das kann es doch nicht sein. Ganz zu schweigen von den Mehrkosten für mich.“
Eltern beklagen mangelnde Transparenz
Die Eltern können den Grund für die Umstrukturierung nicht nachvollziehen und beklagen mangelnde Transparenz seitens der Verwaltungsleitung. „Wir vom Elternbeirat haben mehrmals um klärende Gespräche gebeten, aber das wurde bislang leider ignoriert“, bedauert Sophie Nasemann. Auch eine Liste mit 60 Unterschriften wurde dem Verwaltungsleiter Matthias Dippel übergeben, ohne Reaktion, wie die Eltern beklagen. Die Verwaltungsleitung begründet die Umstrukturierung mit dem Corona-bedingten Mischverbot. Das allerdings finden die Eltern wenig plausibel. Zum einen, weil die Kinder sich momentan draußen ohnehin mischen, es gemeinsame Projekte für alle Kinder gebe und die neuen Zeiten wohl auch bedeuteten, dass es keine festen Erzieherinnen in den Gruppen gebe. Der OP vorliegende E-Mails belegen, dass in der Nachmittagsbetreuung Erzieherinnen in verschiedenen Gruppen zum Einsatz kommen sollen.
Die Eltern befürchten, dass mit der hoch ansteckenden Delta-Variante das Virus so auch durch die geimpften Erzieherinnen in den Gruppen verteilt würde. „Im Falle einer Infektion in der Nachmittagsbetreuung müssten dann auch gleich zwei Gruppen geschlossen werden und nicht nur eine“, mutmaßen die Eltern. Deshalb finden sie die Argumentation unlogisch, auch weil die Kita mit ihrem bisherigen Konzept bislang sehr gut durch die Pandemie gekommen sei. Es habe – trotz der zeitweise sehr hohen Inzidenz in Stadtallendorf – in St. Katharina 2020 nicht einen Corona-Fall gegeben.
Die Eltern fühlen sich im Stich gelassen, sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder. Auch weil durch die geplante Umstrukturierung eine diverse Gruppenstruktur wohl nicht mehr gegeben sei. Bislang sei immer sehr darauf geachtet worden, dass die Gruppen gemischt sind, der Anteil von Jungen und Mädchen oder Kindern mit und ohne Migrationshintergrund ausgeglichen ist. „Wir wissen nicht, wie das mit der neuen Struktur gewährleistet sein soll“, gibt Nasemann zu bedenken.
Zahlreiche Erzieherinnen haben gekündigt
Auf Nachfrage der OP meldet sich Verwaltungsleiter Matthias Dippel mit einer schriftlichen Stellungnahme aus dem Urlaub. „Unsere alten Gruppenaufteilungen, in denen wir in jeder Gruppe Kinder aus allen drei Modulen betreuten, waren nicht mehr zeitgemäß und mussten auf die neuen Herausforderungen der Pandemie angepasst werden“, so Dippel, der beteuert, dass „das Wohl der uns anvertrauten Kinder bei allen Entscheidungen des Verwaltungsrates der Kirchengemeinde Heilig Geist immer im Vordergrund steht“. Die Umstrukturierung gewähre eine „optimiertere pädagogische Betreuung der Kinder“ und gewährleiste so auch wieder eine Ganztagsbetreuung, die „durch erhöhte Krankheitsausfälle, Corona-Infizierungen und Quarantäneanordnungen“ ein Jahr lang nicht mehr möglich gewesen sei. Detaillierte Nachfragen zu den Plänen und den damit einhergehenden Sorgen der Eltern wurden bislang seitens der Verwaltung noch nicht beantwortet.
Nach Informationen der OP herrscht bereits seit einiger Zeit Unruhe in den Kitas von Heilig Geist. Gleich zwei Kitas sind derzeit ohne Leitung, zahlreiche Erzieherinnen haben zudem gekündigt. „Wie hier mit Menschen umgegangen wird, ist zum Teil herzlos und wenig christlich“, bedauern einige der Eltern.