Interview

Absicherung: „Nie alle Eier in einen Korb“

Professor Bernd Raffelhüschen sprach im Zentrum für Vermögensberatung in Marburg über das Thema Renten- und Sozialabsicherung. 

Professor Bernd Raffelhüschen sprach im Zentrum für Vermögensberatung in Marburg über das Thema Renten- und Sozialabsicherung.

Marburg. Alterssicherung und Sozialpolitik waren Themen im Zentrum für Vermögensberatung in Marburg. Es referierte Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft und Experte in der Sozial- und Steuerpolitik, Gastgeber war Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater.

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Zum den Themen äußerten sich Raffelhüschen und Lach im OP-Interview.

Was sind für Sie die Herausforderungen?

Professor Bernd Raffelhüschen: Wir reden über die Risiken des Alters – Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung –, über solche, die sozial abgefedert werden durch den Staat. Früher hat der Staat die Lebensstandardsicherung im Alter garantiert. Der Staat hat überall eine Vollabsicherung versprochen, nun bröckelt das Versprechen. Es liegt daran, dass es nicht genug Beitragszahler gibt. Es gibt zu wenige Kinder und zu viele alte Menschen – mit steigender Lebenserwartung.

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Dr. Helge Lach: Eine ganz große Herausforderung ist, dass alles vielschichtig und komplex ist – ob Alters- oder Gesundheitsvorsorge. Der Bürger ist mit dem Thema überfordert. An der Stelle setzt der Beruf des Beraters an, um den Verbrauchern Wege aufzeigen zu können, was sie tun können.

Wo sehen Sie die Probleme?

Lach: Im öffentlichen Sektor: Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln. 100 Milliarden Sondervermögen ist nichts anderes als 100 Milliarden Schulden, wir haben riesige Herausforderungen im Bereich Bildung, Infrastruktur, gewaltige Zuschüsse in die Sozialsysteme, wir haben eine Schuldenbremse – das ist seriös nicht mehr durchfinanzierbar. Ein zweites großes Problem: Geringverdiener haben überhaupt kein Geld, um sich privat abzusichern. Sie benötigen jeden Euro. Wir würden uns wünschen, dass die Politik da ihre Hausaufgaben macht und nicht mit der Gießkanne für alle was macht.

Gibt es immer mehr Menschen mit weniger Einkommen?

Raffelhüschen: Die Verteilung der Einkommen ist seit 1985 exakt dieselbe. Wir haben überhaupt keine Veränderung. Der berühmte Spruch: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer, stimmt nicht. Rund acht Prozent sind in Grundversorgung, ganz wenig. Bei den Alten sind es drei Prozent – Altersarmut ist also eine ganz geringe Gefahr. Die Inflation auf die Ukraine oder auf Öl zu schieben, ist falsch, sie hat etwas damit zu tun, wie viel Geld im Umlauf ist. Die Geldmenge ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren von 3.000 Milliarden Euro auf 7.000 Milliarden Euro angewachsen – in Deutschland. Gedruckte Zettel sind keine Wertschöpfung.

Was bedeutet das für den Bürger?

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Raffelhüschen: Wenn ich eine Lebensstandardsicherung im Alter will, also 60 bis 80 Prozent des letzten Einkommens für angemessen halte, dann muss ich selbst dafür sorgen. Der Staat verspricht mir 50 Prozent, halten kann er wahrscheinlich 40 Prozent.

Lach: Wenn ich sieben Prozent Inflation habe, gleichzeitig bei der Nullzinspolitik renditelos bei Garantieprodukten bin, werde ich gezwungen, nicht mehr sicher zu investieren. Wer vor Jahren eine Lebensversicherung mit einem hohen Garantiezins abgeschlossen hat, hat alles richtig gemacht.

Ist eine private Krankenversicherung eine Alternative?

Raffelhüschen: Es stellt sich die Frage: Welches Leistungsniveau will ich haben? Das Leistungsniveau in der privaten Krankenversicherung ist höher, aber teurer. Ob man das möchte, muss man entscheiden. Wir haben eine vernünftige Versorgung für jedermann, aber auch eine bessere Version für manche. Das ist wie beim Zugfahren, da gibt es die erste und die zweite Klasse. Das Abschaffen der ersten Klasse würde das Bahnfahren in der zweiten Klasse allerdings nicht billiger, sondern teurer machen. Grund dafür ist die Quersubventionierung durch denjenigen, die bereit sind, für dieselbe Transportleistung von A nach B mehr zu zahlen.

Lach: Nicht zu unterschätzen ist, dass der medizinisch-technische Fortschritt besser finanzierbar ist, wenn man Hochzahler hat. Davon profitieren dann auch die gesetzlich Versicherten.

Was raten Sie den Verbrauchern?

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Lach: Ich muss erst mit dem Menschen sprechen, schauen, was ihm wichtig ist. Es gibt nicht "die" Empfehlung. Wenn jemand eine ordentliche Rente bekommt – dann könnte er zum Beispiel in Aktienfonds oder in Immobilien investieren.

Raffelhüschen: Es ist im Grunde ganz einfach: Nie alle Eier in einen Korb – mehr gibt es nicht an Beratung.

Warum?

Raffelhüschen: Wir wissen nicht, wie sich Aktienkurse oder Immobilienpreise entwickeln. Wenn Sie nichts wissen, nicht mal die Verteilung von Risiken – wie wollen Sie Risiken versichern oder absichern? Wenn alles unsicher ist, dann gibt es nur eines, mit dem Sie dem begegnen können – man muss diversifizieren. Nur das bringt Sicherheit – schiefgehen kann es trotzdem.

Hintergrund

Der Bundesverband Deutscher Vermögensberater veranstaltet im Turnus von zwei Jahren eine Roadshow in zehn Standorten bundesweit. In Marburg wurde das politisch relevante Thema Alterssicherung und Sozialpolitik aufgegriffen und mit Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft und Experte in der Sozial- und Steuerpolitik, und Dr. Stefan Heck, CDU-Bundestagsabgeordneter, kontrovers diskutiert. Gastgeber war Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater. Ein weiterer Aspekt der Roadshow: ein Talk mit Vermögensberatern, die noch nicht so lange im Job sind, um ihnen weitere Einblicke zu vermitteln.

OP

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