Nachhaltigkeit

Genießen mit gutem Gewissen

Betriebsleiterin Eugenia Schaller (links) und Brita Firsching, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Charly gründete, präsentieren zwei ihrer fertig gepackten „Ökokisten“.

Betriebsleiterin Eugenia Schaller (links) und Brita Firsching, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Charly gründete, präsentieren zwei ihrer fertig gepackten „Ökokisten“.

Marburg. Die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln rückt durch die Corona-Krise stärker in den Fokus der Verbraucher: Wenn eine Krankheit grassiert, dann sollte man besser auf die Ernährung achten, so das Credo. Das merkt auch das Team der „Ökokiste Boßhammersch Hof“ in Großseelheim: Die Kundenzahlen haben sich in der Corona-Krise deutlich nach oben entwickelt.

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Doch wie kommt man eigentlich darauf, Kisten mit anfangs Obst und Gemüse per Transporter an die Kundschaft zu bringen? „Mein Mann und ich waren eigentlich in der Wissenschaft tätig“, erinnert sich Brita Firsching. Doch die Stellen liefen aus – es stand die Entscheidung an, weiter in der Wissenschaft zu arbeiten oder doch etwas ganz anderes zu machen. „Wir haben uns für etwas ganz anderes entschieden – zeitgleich kam die Anfrage unseres Freundes Peter Ritter aus Bauerbach, ob wir nicht Lust hätten, den Lieferservice des damaligen ,Grünzeug-Boten’ zu übernehmen“, sagt Firsching. Im Herbst 1997 übernahmen Brita und Charly Firsching das Geschäft auf dem Biohof Ritter. Das war – trotz des Hintergrunds der Agrarwissenschaften – etwas ganz anderes. „Aber wir haben es einfach gemacht“, sagt Brita Firsching. Und das sehr erfolgreich: Das Geschäft entwickelte sich schon damals sehr gut, sodass die Firschings „Boßhammersch Hof“ in Großseelheim kauften und umbauten – 2004 erfolgte der Umzug.

„Wir konnten uns mit einem vergrößerten Sortiment gut entfalten, haben neue Kontakte mit Erzeugern geknüpft“, so Brita Firsching. Und die Entwicklung halte an, „wir haben den Betrieb mittlerweile aufgrund der Zuwächse stark ausgebaut“ – man sei räumlich schon wieder ans Limit gekommen. „Wir haben extra einen Bauwagen als weiteren Aufenthaltsraum bestellt“, sagt Betriebsleiterin Eugenia Schaller. Denn mittlerweile gebe es 75 Mitarbeiter am Standort – 25 davon kamen wegen der erhöhten Nachfrage dieses Jahr hinzu. „Dass sich alles so entwickelt, das hätten wir nicht vermutet“, erläutert die Gründerin.

„Jetzt zu den Spitzenzeiten beliefern wir etwa 3 000 Haushalte pro Woche“, sagt Eugenia Schaller – vor 20 Jahren seien es noch 120 Kunden gewesen, nach dem Umzug nach Großseelheim bereits 600. „Es ist schon relativ schnell gewachsen. Früher lag der Zuwachs im Schnitt bei um die 100 Kunden, die auch geblieben sind. In den vergangenen Jahren war die Steigerung mit etwa 150 zusätzlichen Kunden je Jahr schon höher“, weiß Firsching. Doch bereits im vergangenen Herbst habe sich eine noch kräftigere Steigerung abgezeichnet – bereits vor Corona.

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Aber woran liegt es? „Greta könnte ein Auslöser gewesen sein“, vermutet Eugenia Schaller. „Aber prinzipiell gibt es einen Wertewandel bei den Menschen – dass sie mehr darauf achten, wo sie kaufen und was sie kaufen. Und dass sie kritischer sind – regional und saisonal spielt einfach eine größere Rolle. Die Kunden haben ein hohes Vertrauen in uns“, weiß Firsching. Kurzfristig profitiere man auch von Lebensmittelskandalen, wie jüngst dem Wilke- oder dem Tönnies-Skandal, „aber davon bleiben nicht so viele Kunden hängen – der Effekt der Skandale verpufft auch schnell wieder“. Für viele Verbraucher zähle leider immer noch der Preis, „gerade bei Fleisch und Wurst“, sagt Eugenia Schaller.

„Wenn der Kunde aber fragt, wo das Hähnchen herkommt, dann wissen wir das. Und wir können auch Rede und Antwort zu den Schlachtbedingungen stehen, denn es gibt eine große Transparenz zwischen uns und den Erzeugern.“ Die regionalen Erzeuger kenne man gut und lange. „Wir bekommen auch Ware über den Großhandel. Auch dort besteht die Möglichkeit, die Erzeuger zu besuchen und kennenzulernen.“ Gerade zu den Zitrus-Erzeugern „haben wir schon einige Fahrten mitgemacht, um sie kennenzulernen und uns auszutauschen“.

Nicht nur die Transparenz kommt bei den Verbrauchern gut an – sondern auch die Auswahl. Anfangs habe es nur die „Friss-oder-stirb-Kiste“ gegeben, sagt Firsching lachend – denn geliefert wurde, was gerade an saisonalen Produkten da war. „Das ist heute ganz anders: Die Kisten können ganz nach Wunsch im Internet konfiguriert werden, die Kunden können ihre Abo-Kisten auch einsehen und verändern.“ Das Trockensortiment wurde stetig vergrößert, Molkereiprodukte und Käse gibt es – und noch viele weitere Produkte, „die nicht im Supermarkt zu finden sind“. So hat das Ökokisten-Team beispielsweise eine Kooperation mit einer Ölmühle in Kassel. „Kleine Labels unterstützen wir sehr gerne“, so Eugenia Schaller.

Durch die Corona-Krise habe es einen weiteren Schwung gegeben. „Den Leuten wurde klar: Das Essen ist auch wichtig, um uns gesund zu erhalten – das spielt bestimmt eine Rolle“, sagt die Gründerin. Manchmal würden auch Kinder, die nicht mehr in der Gegend wohnten, Ökokisten für ihre Eltern bestellen, damit diese gut versorgt seien. „Und selbst während des Lockdowns waren wir sehr gut lieferfähig – selbst mit Toilettenpapier“, sagt Firsching lachend. Jedoch habe man die Waren auch rationiert, „die 36 bestellten Dosensuppen haben wir auf drei gekürzt – bunkern war nicht“, sagt Schaller. Das widerspreche dem solidarischen Gedanken, der ein wichtiger Teil der Ökokiste sei.

Mit dem Wachstum hat sich auch der Lieferradius vergrößert: 80 bis 100 Kilometer rund um Großseelheim reicht das Einzugsgebiet mittlerweile – bis nach Butzbach, Winterberg, Runkel oder Fulda sind die Fahrer unterwegs. Entsprechend groß sind die Herausforderungen für den Fahrdienstleiter, denn die Belieferung soll ja weiterhin ökologisch sinnvoll sein. „Sich von uns beliefern lassen, soll nachhaltiger sein, als mit dem eigenen Auto in den 20 Kilometer entfernten Bioladen zu fahren.“ Der ökologische Fußabdruck spiele eine wichtige Rolle. Entsprechend werde geplant – so könnten die Fahrer auf dem Rückweg auch gleich Waren von den Erzeugern mitbringen.

Die „Ökokiste“ punktet auch damit, dass sie regionale Produkte anbietet – doch wo liegt dafür die Grenze? „Der Begriff ist nicht geschützt – wir sagen: 150 Kilometer Luftlinie um uns herum“, verdeutlicht die Betriebsleiterin. Im Winter gebe es weniger Ware im direkten Umfeld und auch Zitrusfrüchte kämen ja auch nicht aus der Nachbarschaft. Der „Ökokiste“-Verband überprüfe das Unternehmen jedoch jährlich, ob wichtige Kriterien – wie eben auch der Punkt Regionalität – eingehalten werden. „Sonst dürften wir uns gar nicht Ökokiste nennen“, so Schaller. Gemüse, Salate, Kartoffeln – gerade jetzt stamme vieles auch aus dem näheren Umfeld. „Die Erzeuger schätzen das Konzept, denn wir sind für sie verlässliche Partner, damit sie ihre Ware vermarkten.“ Dazu gehöre auch, faire Preise zu zahlen. Eugenia Schaller dazu: „Profit ist nicht alles, denn wir wollen auch die regionale Vermarktung stärken. Das macht die Ökokiste aus.“

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