Impfzentrum

Der letzte Piks

Melanie Schneider aus Moischt (links) bekam gestern im Impfzentrum ihre zweite Impfung von Maria Kraus.

Melanie Schneider aus Moischt (links) bekam gestern im Impfzentrum ihre zweite Impfung von Maria Kraus.

Marburg. Ab heute Abend wird wieder zurückgebaut. Nach fast acht Monaten Betrieb schließt das Impfzentrum des Landkreises, wie alle anderen der 28 hessischen Impfzentren, heute seine Pforten. Bis abends werden noch die letzten Besucher versorgt, dann ist Schluss in der großen Halle auf dem Messeplatz.

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Eine der letzten Impflinge war am vorletzten Öffnungstag die 14 Jahre alte Melanie Schneider aus Moischt, die ihre zweite Impfung mitnehmen konnte. „Ich freue mich darüber, denn ich habe keine Lust mehr auf das Testen“, verrät die Schülerin fröhlich. Sie ist vor dem Piks zwar etwas nervös, kann aber die Zeit danach kaum erwarten, wenn sie nicht mehr für den Unterricht, den Besuch im Fitnessstudio oder Restaurant ständig einen Schnelltest machen muss. „Gut, dass das hier noch geklappt hat“, sagt sie und lacht.

Ab heute Abend schließen sich die Türen des Impfzentrums. Zeit, Bilanz zu ziehen über genau 234 Tage, in denen das DRK und die Johanniter gemeinsam den Standort für den Landkreis in Betrieb hatten. Einsatzbereit waren Technik und Teams schon vorher, seit dem 11. Dezember, lange bevor das Impfzentrum am 9. Februar dann öffnete, das somit seit 294 Tage auf dem Messeplatz steht.

Doch unter Volllast lief es in all der Zeit nie, das gesamte Potenzial wurde nie ausgeschöpft. Denn wie andere Zentren auch, hatte die Einrichtung mit einem Kuriosum der Pandemie zu kämpfen: Als es noch an Impfstoff mangelte, war die Impfbereitschaft in der Bevölkerung riesig, die Nachfrage konnte anfangs bei weitem nicht gedeckt werden.

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Der Start in abgespeckter Form war auch für das Team vom Impfzentrum schwer, als alles mangels Impfstoff nur langsam Fahrt aufnahm, erinnerte die Leitung bei einer Pressekonferenz. Die niedrigste Tagesleistung von 34 Impfungen am Tag spricht Bände. Dann drehte sich die Lage, die Impfzahlen stiegen und die anfängliche Skepsis vor dem Impfstoff legte sich bei vielen Menschen.

Keine Impfdosen verschwendet

Als dann mehr als ausreichende Menge vorhanden war, ebbte die Impfbereitschaft mit der Zeit wieder ab. Der einmalige Spitzenwert von 1990 Impfungen am Tag wurde nur einmal erreicht. Möglich gewesen wäre aber weit mehr, locker 2500 Menschen hätten am Tag geimpft werden können. Das wurde zwar mangels Anmeldungen nie geschafft, dennoch sei man mit dem Betrieb sehr zufrieden, das Impfzentrum wurde als „tragende Stütze für die Herdenimmunität“ eingerichtet, „ich glaube, das haben wir in Marburg-Biedenkopf erreicht“, betonte Lars Schäfer, Leiter des Fachbereichs Gefahrenabwehr, der auch die Gesamtleitung des Zentrums inne hat.

Die Organisation und die Arbeit der Mitarbeiter erhielten über die Monate viel Lob und Zuspruch von Besuchern, nur eitel Sonnenschein herrschte jedoch auch nicht: Neben dem anfangs schleppendem Nachschub an Impfstoffen wurde das Team mehrfach mit den Auswirkungen vom Impfneid mancher Menschen konfrontiert. Damals, als noch die Impf-Priorisierung galt, gab es immer mal entnervte Kommentare für die rund 250 Mitarbeiter, die allein auf die Vakzin-Zuteilungen des Landes angewiesen waren, den Ärger von so einigen zurückgewiesenen Besuchern dennoch abbekamen.

Sie erhielten beim Bilanz-Gespräch viel Lob, „den größten Dank verdienen die Mitarbeiter“, so Schäfer. Gemeinsam habe man „die größte Gemeinschaftsleistung des Katastrophenschutzes“ stemmen können, obwohl der eigentlich für „die schnelle Hilfe“ da ist.

Die Fachkräfte sorgten auch dafür, dass es keine Verschwendung von Impfdosen gab, Ziel war immer, am Abend keine Reste verwerfen zu müssen. Das sei gelungen, „der Kampf um die letzte Spritze“ gewonnen, lobte Karsten Oerder von der operativen Leitung. Für überschüssige Dosen wurde rechtzeitig am Abend nach Impfwilligen gesucht. Selbst mehrere Lkw-Fahrer aus Litauen, die auf dem Messeplatz pausierten und wussten, dass sie Wochen später wieder kommen, erhielten spontan ihre Dosis, erinnert sich Oerder noch.

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Regulär schließt das Impfzentrum heute um 17 Uhr, bis dahin können Impfwillige spontan vorbei kommen. „Wir impfen dann, bis der Letzte geht“, verspricht Oerder. Noch am Abend beginnt der erste Abbau im Inneren. Etwa ab Mitte Oktober wird dann nach und nach die Halle abgebaut. In einem Monat solle der Messeplatz wieder so aussehen wie vorher.

Mobile Impfteams arbeiten weiter

Und wo können Impfwillige nun in Zukunft eine Impfung erhalten? Allen voran über die Impfärzte in den Arztpraxen. Der öffentliche Gesundheitsdienst tritt mit der Schließung des Impfzentrums in die zweite Reihe, wenn auch nicht völlig zurück. Denn die mobilen Impfteams machen nahtlos weiter, kündigt die ärztliche Leiterin Andrea Schroer bereits an. Die Teams werden vom Gesundheitsamt koordiniert, sind schon jetzt wieder in den Alten- und Pflegeheimen unterwegs und verteilen die dritte Auffrischungsimpfung.

Sie werden auch in Zukunft bei verschiedenen Impfaktionen vor Ort sein, wie zuletzt etwa bei jener im Cineplex. Zudem besuchen die Teams weitere Einrichtungen, Betriebe oder auf Wunsch Gemeinden. Ziel sei es, auch jenen Menschen eine Impfung zu ermöglichen, die besondere Bedürfnisse oder keinen Hausarzt haben, unter anderem Saisonarbeiter. „Wir wollen die Menschen erreichen, die wir bisher noch nicht erreicht haben“, betont Schroer. Ab Mitte Oktober soll zu diesem Zweck außerdem ein speziell eingerichteter Impf-Bus durch den Kreis fahren.

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