6000 Kilometer zu Fuß durch deutsche Wälder
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Gerald Klamer war 25 Jahre lang Forstbeamter bei Hessen Forst. Jetzt hat der 54-Jährige seinen Beruf aufgegeben, um 6000 Kilometer durch Deutschlands Wälder zu wandern.
© Quelle: Tobias Hirsch
Marburg. Gerald Klamer lässt alles zurück: Seinen Beruf als Forstbeamter hat er gekündigt. Sein Auto verkauft. Und wenn er am Freitag (26. Februar) vom Marburger Stadtwald aus zu seiner 6.000 Kilometer langen Wanderung aufbricht, hat er auch keinen Wohnsitz mehr. „Meine Wohnung habe ich gekündigt. Ich will die nächste Zeit im Wald schlafen“, sagt Klamer. „Waldbegeisterung“ hat der 54-Jährige sein Projekt getauft. In den nächsten acht Monaten will der gebürtige Niedersachse auf einer etwa 6.000 Kilometer langen Wanderung durch alle Bundesländer und die bedeutendsten Waldgebiete Deutschlands dokumentieren, wie es um den Wald steht und vor allem welche Ansätze es zur Überwindung der Klimakrise gibt.
Die Suche nach naturschonenden Bewirtschaftungsmethoden
Im dritten Jahr der Dürre in Deutschland, ist klar, dass der Klimawandel real ist und riesige Auswirkungen auf unsere Umwelt hat, die nicht erst in Jahrzehnten spürbar werden, sondern schon jetzt. Dabei hat der Wald eine Schlüsselrolle: Einerseits leidet er stark, wie die zahlreichen abgestorbenen Bäume überall zeigen, andererseits kann er durch die Speicherung von Kohlendioxid und positive Wirkungen auf das Klima einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels leisten.
„Natürlich gibt es offizielle Daten und Zahlen dazu wie der Zustand des Waldes ist, diese sind aber abstrakt und können keinen direkten Bezug vermitteln“, sagt Klamer. Daher will er sich selbst ein Bild machen, seinen forstlichen Horizont erweitern und das Thema in die Öffentlichkeit tragen. Er will Nationalparke erwandern, Forstbetriebe besuchen und Wissenschaftler treffen um zu erkunden, welche naturschonenden Bewirtschaftungsmethoden es gibt und welchen Beitrag sie zur Stabilisierung des Waldes leisten können.
Verbesserungswürdige Forstwirtschaft
„Vor allem aber möchte ich aufzeigen, was an der aktuellen Forstwirtschaft verbesserungswürdig ist“, sagt Klamer. Er bestreitet zwar nicht, das die deutsche Forstwirtschaft weltweit federführend ist, was die Nachhaltigkeit angeht. Aber die aus Kostengründen zunehmende Mechanisierung belaste das Ökosystem Wald zunehmend. „Für die Holzernte mit Harvestern müssen alle 20 Meter Gassen angelegt werden, damit die Maschine an die Bäume herankommt“, nennt Klamer als Beispiel. Dadurch würden 20 Prozent des Waldbodens verdichtet. „Die Poren des Waldbodens werden gequetscht und können sich nie wieder richtig entfalten. Und genau das ist vor allem bei geringen Niederschlägen extrem wichtig für die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens“, konstatiert Klamer.
Als Förster – Klamer war 25 Jahre lang in der Forstverwaltung tätig, hat verschiedene Reviere in ganz Hessen geleitet und Naturschutzpläne erstellt – hat er selbstverständlich auch solche Gassen angelegt und Harvester in den Wald geschickt. „Das ist gängige Praxis. Was aber nicht bedeutet, dass es gut ist“, sagt er. Aus seiner Sicht dürfe der Wald nicht nur als Einnahmequelle gesehen werden. „Neben der Nutzfunktion des Waldes ist die Schutzfunktion für das Klima, vor allem in der heutigen Zeit, extrem wichtig geworden.“, sagt Klamer. Letzteres ist zwar auch im Bundeswaldgesetz verankert, kommen aber aus seiner Sicht zu kurz. An dieser Stelle müsse man umdenken.
Waldnationalparks und Waldschutzgebiete
„Ich bin der Meinung, dass unbewirtschaftete Wälder, die Urwälder von morgen, einen besonders wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität aber auch als Lernobjekt zur Anpassung unserer natürlichen Wälder an den Klimawandel leisten können“, sagt Klamer. Diese werden insbesondere in den Nationalparks geschützt.
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Die Route von Gerald Klamer
„Um festzustellen, wie der aktuelle Zustand dieser Gebiete ist, aber auch welche Lehren sie uns jetzt schon vermitteln können, möchte ich auf meiner Wanderung alle Waldnationalparks und anderen großen Waldschutzgebiete besuchen“, sagt Klamer. Besonders interessieren ihn dabei die ehemaligen Truppenübungsplätze und Braunkohleabbaugebiete im Osten Deutschlands. „Die können sich schon seit mehreren Jahren selbstständig ohne beziehungsweise nur mit geringem den Einfluss des Menschen entwickeln“, sagt er.
60 Stationen
Insgesamt 60 Stationen will Klamer auf seiner Wanderung ansteuern. Unterwegs will er seine Beobachtungen in Fotos, Texten und Videos in den sozialen Medien, aber auch über Zeitungen, Magazinartikel und Fernsehbeiträgen der Öffentlichkeit mitteilen. Am Ende des Projekts soll schließlich ein Buch entstehen, dass die Beobachtungen und Erkenntnisse zusammenfasst.
Die OP begleitet den Marburger Förster und berichtet regelmäßig von seinen Erlebnissen, Erfahrungen und Beobachtungen.
Der Blog des 54-Jährigen ist online unter https://waldbegeisterung.blogspot.com zu erreichen.
Zur Person
Gerald Klamer ist ein begeisterter Wanderer. In den vergangenen 30 Jahren war der 54-Jährige schon auf jedem Kontinent zu Fuß unterwegs – mit Ausnahme der Antarktis. Ob in der Mongolei, der Wüste Negev, den Sümpfen des Okavango Deltas oder den Wäldern Kanadas: Gerald Klamer hat sich die Welt erlaufen. Mehrere zehntausend Kilometer sind dabei schon zusammengekommen. Dabei musste er auch schon zahlreiche Herausforderungen bewältigen: von gewalttätigen Überfällen, über gefährliche Krankheiten, bis hin zu extremem Wassermangel und eine Woche lang ohne Ausrüstung im Regenwald des Kongos. Seine bevorstehende 6 000-Kilometer-Wanderung durch Deutschland mutet dabei beinahe wie ein Spaziergang an. „Anders als im Himalaya muss ich in Deutschland nicht für mehrere Wochen Proviant mit mir rumschleppen“, sagt Klamer. Das wird eine Wanderung mit leichtem Gepäck: Außer Schlafsack, einer Plane, ein paar Wechselklamotten und etwas Technik wird Klamer nichts mitnehmen. „Ich reduziere mich auf das Wesentliche“, sagt er. Die Berichte seiner Touren können auf http://geraldtrekkt.blogspot.com nachgelesen werden.
OP