„Die Motzphasen wurden häufiger“
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Familie Kaufmann aus Kirchhain: Anika und Andreas mit ihrem Sohn Marlon.
© Quelle: Katja Peters
Marburg. Kinderbetreuung in Corona-Zeiten: Für viele Eltern ist das eine echte Herausforderung. Wie geht es Familien in dieser Situation? Zwei Paare und eine alleinerziehende Mutter haben es der OP erzählt:
Anika und Andreas Kaufmann mit Sohn Marlon aus Kirchhain: Als Krankenschwester hätte sie die Möglichkeit der Notbetreuung für ihren Sohn, "aber das wollen wir nicht", sagt Anika Kaufmann.
In der neunten Woche ist der Zweitklässler weiter zuhause und wird sowohl von seiner Mutter, als auch von seinem Vater Andreas Kaufmann betreut. Sitzt dieser sonst im Büro der Marburger Tapetenfabrik, läuft der Laptop jetzt auch schon mal zuhause.
Für die Kinderbetreuung nutzt er sein Überstundenkonto. Und „wenn was Wichtiges ist, dann bin ich jederzeit für meine Kollegen zu erreichen“, sagt der 34-Jährige. Das war auch ein gangbarer Weg für seinen Arbeitgeber. Denn die Familie wollte auch nicht, dass die Großeltern einspringen müssen. Seit Ausbruch der Pandemie war der Kontakt sehr eingeschränkt, erst seit ein paar Tagen gäbe es wieder gegenseitige Besuche.
„Viele Absprachen“, resümiert Anika Kaufmann, was für das Ehepaar in den vergangenen Wochen prägend war, und „in den letzten Tagen viele Diskussionen mit meinem Sohn“. Der kann nicht verstehen, warum die Bundesliga-Fußballer wieder kicken dürfen und er nicht.
Jennifer und Steffen Schneider mit Tochter Ida aus Gladenbach: In der ersten Woche nach der Schulschließung haben sich beide die Betreuung der Tochter geteilt. Steffen Schneider kümmerte sich vormittags und nachts um die Tochter, da seine Frau Nachtschicht im Krankenhaus in Wehrda hatte.
„Wenn sie aufgestanden war, konnte ich zur Arbeit fahren. Abends haben wir uns dann an den Behringwerken getroffen und Übergabe gemacht. Ich bin dann mit Ida nach Hause und Jennifer ist ins Krankenhaus gefahren“, erzählt der 42-Jährige, der von seinem Arbeitgeber Seidel viel Verständnis und Unterstützung erfuhr. Die nächsten vier Wochen war die Krankenschwester durch Urlaub und Freizeitausgleich zuhause.
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Familie Schneider aus Gladenbach: Jennifer und Steffen mit ihrer Tochter Ida.
© Quelle: Privatfoto
„Bei den Schulaufgaben waren oft Überredungskünste gefragt. Gerechnet wurde manchmal mit Gummibärchen. Die ersten zwei Wochen war die Motivation noch da. Nach den Osterferien wurde es schwieriger“, berichtet die 32-jährige Mutter, die noch ergänzt: „Die Motzphasen wurden häufiger.“
Nach den Schulaufgaben ging es viel an die frische Luft oder es wurden Briefe an Freunde, Oma und auch die Lehrerin geschickt. Seit einer Woche ist die Erstklässlerin nun in der Notbetreuung an der Europaschule und ist begeistert. „Ich kann endlich wieder mit meinen Freunden spielen“, sagt die Sechsjährige und ihre Mutter hat festgestellt: „Jetzt drehen sich die Gespräche nicht mehr nur ausschließlich ums Kind.“
Nicole Preuss mit ihrem Sohn Dario aus Marburg: "Ich rede seit Wochen nur noch mit meinem Sohn", sagt Nicole Preuss aus Marburg. Seit der Schulschließung kümmert sich die alleinerziehende Mutter täglich um ihren Sohn Dario – und das in Vollzeit. Sie ist Mutter, Freundin und Lehrerin in einem. Dabei gerät sie auch schon mal in ihre Grenzen.
Der Zehnjährige hat das Down-Syndrom und gehört mit seinem Herzfehler zur Risikogruppe. „Die ersten sechs Wochen haben wir wirklich sehr strikt die Öffentlichkeit gemieden und sind zuhause geblieben“, erzählt die Erzieherin, die sich selbst eine strenge Routine verpasst hat, um auch ihrem Sohn eine Struktur zu geben.
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Nicole Preuss mit ihrem Sohn Dario, der seit acht Wochen zuhause betreut wird.
© Quelle: Katja Peters
Und die Eins-zu-eins-Betreuung trägt Früchte. „Er kann lesen“, freut sie sich und berichtet, wie er den Großeltern in Karlsruhe per Videotelefonie aus seinem Kinderbuch vorliest. Auch die Logopädie und der Gitarrenunterricht erfolgten per Video.
Alle Fortschritte wurden in einem Ordner festgehalten, der immer mal wieder zur Motivation hervorgeholt wird. Nach dem täglichen Unterricht darf der Mosaikschüler dann die „Sendung mit der Maus“ gucken. „Das ist für ihn wie Sachkunde-Unterricht und ich habe kurz Zeit einkaufen zu gehen“, sagt Nicole Preuss.