Fragen zu Corona

Hoffnungen ruhen auf Medikamenten

Mitarbeiter des Instituts für Virologie der Philipps-Universität Marburg arbeiten in einem Forschungslabor. Foto: Arne Dedert/dpa.

Mitarbeiter des Instituts für Virologie der Philipps-Universität Marburg arbeiten in einem Forschungslabor. Foto: Arne Dedert/dpa.

Marburg. Sie haben Fragen zum Corona-Virus? Dann schreiben Sie sie uns und wir befragen Experten dazu. Ob es medizinische Fragen sind, Fragen des Arbeitsrechts oder anderes: Schreiben Sie uns eine E-Mail an beratung@op-marburg.de. Wir sortieren die Fragen vor und legen sie danach einem Experten vor. Die Antworten drucken wir für Sie in der Oberhessischen Presse ab und teilen sie in unseren sozialen Medien. Wenn Sie nicht wünschen, dass Ihr Name erwähnt wird, vermerken Sie das bitte ausdrücklich.

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Prof.Dr.med.Harald enz.

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Was bedeutet Sars-CoV-2 und Covid-19?

Sars-CoV-2 ist die Bezeichnung für das Virus, das für die Pandemie verantwortlich ist. Es gehört zu den Coronaviren (CoV). Coronaviren sind eine große Familie von Viren, die Tiere und Menschen befallen können. Sars steht für Severe Acute Respiratory Syndrome (schwere akute Erkrankung am Respirationstrakt). Covid-19 ist der Name für die Erkrankung, unter der Patienten mit Sars-CoV-2-Infektion leiden können. Covid bedeutet Corona Virus Disease (Coronavirus-Erkrankung) und die 19 bezieht sich auf das Jahr des Auftretens dieser Erkrankung, nämlich 2019.

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Verläuft die Erkrankung in Deutschland milder als in anderen Ländern?

Diese Frage treibt im Moment viele Ärzte und Wissenschaftler um und wird auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Obwohl die Frage sehr interessant ist, muss die Antwort dennoch zum heutigen Zeitpunkt noch spekulativ bleiben. Registriert sind in Deutschland laut Robert-Koch-Institut (RKI) 52 547 Infizierte und 389 Todesfälle (Stand 29. März). Die Zahl der Infizierten beruht im Wesentlichen auf Testungen und schon hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Bei uns wird (zum Glück!) mehr getestet als in anderen Ländern.

Berechnungen des RKI gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 160 000 Tests pro Woche zurzeit durchgeführt werden können. Es gibt in Deutschland auch mehr Testlabore als in unseren Nachbarländern. Dennoch reicht dieses Volumen sicherlich nicht aus, bei weiter anhaltendem Ausbreiten des Virus allen voran die Risikogruppen in Deutschland zu testen.

Des Weiteren lohnt ein Blick auf den Beginn der Virusausbreitung in den verschiedenen Ländern und Regionen. In Italien gab es schon im November und Dezember letzten Jahres erste Berichte über „ungewöhnliche Lungenentzündungen“. Ob sich dahinter bereits das Coronavirus verborgen hat, muss unklar bleiben. Allerdings gibt es in Norditalien vielfältige wirtschaftliche Verbindungen nach Asien und insbesondere nach China, so dass ein frühzeitiges Auftreten des Virus in Italien schon Ende vergangenen Jahres durchaus möglich erscheint. Damit wäre dann Italien uns um eine gewaltige Zeitspanne in der Entwicklung voraus. Dies kann auch Unterschiede erklären.

Dann sind die gesellschaftlichen Lebens- und Rahmenbedingungen zwischen Spanien, Italien (zum Teil auch Frankreich) und Deutschland andere. Bei uns ist es so, dass die ältere Bevölkerung eher für sich isoliert von den anderen Generationen lebt. Das ist in Südeuropa anders, hier wird häufig generationenübergreifend gewohnt, sodass eine Ausbreitung des Virus über verschiedene Generationen dort einfacher erscheint als bei uns.

Dann hat sich das Virus bei uns in Deutschland über verschiedene „Hot Spots“ ausgebreitet. Eine ganz wesentliche Quelle sind die Skiressorts. Ischgl ist dabei ein sehr prominentes Beispiel. Dort in den Winterressorts urlauben eher – und insbesondere beim Aprés-Ski – die jungen Leute, die in der Regel deutlich gesünder sind und sowieso weniger schwere Verläufe dieser Virusinfektion zeigen als die ältere Bevölkerung. Auch dies kann zu dem Unterschied zwischen Deutschland und Italien beitragen.

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Ob auch unsere bessere Versorgung in Deutschland in der Ambulanz und Krankenhausmedizin hier einen Beitrag leistet, sprich, dass wir hier besser aufgestellt sind, um mit einer solchen Pandemie klarzukommen, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Es ist zu vermuten, dass dieses Thema in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wird, wenn wir jetzt erst einmal diese Welle von Sars-CoV-2 überstanden haben. Das wird eine spannende Diskussion! Zumindest ist Fakt, dass wir in Deutschland deutlich mehr Intensivbetten zur Verfügung haben als diese anderen Länder und dass wir ein hervorragendes System der Notversorgung in Krankenhäusern mit unseren Notaufnahmen vorweisen können – zusammen mit dem Rettungswesen, welches in Deutschland vorbildlich aufgestellt ist.

Wie steht es um (neue) Medikamente für Covid-19-Patienten?

Eine echte Impfung gegen das Coronavirus wäre natürlich phantastisch, davon ist man aber noch ein ganzes Stück weit entfernt. Deswegen richten sich die Hoffnungen kurz- und mittelfristig auf Medikamente gegen Sars-CoV-2. Die Mediziner und Virologen sehen eine Reihe von unterschiedlichen Ansatzpunkten. Die Ideen und Konzepte stammen einerseits aus Erfahrungen mit Therapien gegen andere Viruserkrankungen, die in gewisser Weise verwandt sind mit dem jetzigen Sars-CoV-2 Virus, wie beispielsweise die Schweinegrippe.

Parallel dazu gibt es eine Anzahl Studien aus China, die allerdings häufig den Nachteil aufweisen, dass sie nur mit kleinen Patientenkollektiven durchgeführt worden sind und in Bezug auf das Studiendesign auch nicht dem optimalen „Goldstandard“ entsprechen. Und dann gibt es Medikamente, die für andere Erkrankungen zugelassen sind, bei denen man sich aber vorstellen kann, dass sie möglicherweise auch vom Konzept her bei Covid-19-Patienten wirken könnten. Es gibt eigentlich keine Pharmafirma, die nicht an irgendeinem dieser Ansätze arbeitet und Studienprogramme entwickelt.

Hier ein kurzer Überblick, über die wichtigsten Konzepte:

Sogenannte antivirale Medikamente, die direkt entweder das Eindringen des Virus in die Schleimhautzellen oder aber die Vermehrung des Virus in den Schleimhautzellen blockieren sollen. Hier kommen Medikamente zum Tragen, die ursprünglich gegen andere Viren entwickelt worden sind, wie zum Beispiel Hepatitis, Influenzagrippe, Sars oder MERS (zwei andere Coronaviren), HIV und Ebola. In diese Gruppe fällt beispielsweise auch das Anti-Malaria-Medikament Chloroquin.

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Ein anderer Ansatz verfolgt die Stärkung und Unterstützung der Abwehrantwort des Patienten gegen das Virus. Hier sollen lösliche Botenstoffe als Medikamente getestet werden, die natürlicherweise vom Immunsystem des Patienten zur Virusabwehr produziert werden. Dazu gehören verschiedene Interferone.

In besonders schweren Verläufen hat man einen sogenannten „Zytokinsturm“ bei den Patienten beobachtet, also eine Überaktivierung des Immunsystems. Die Ursache hierfür ist nicht bekannt, aber es ist vorstellbar, diese Überaktivierung zu bremsen. Dies ist übrigens auch ein Ansatz, der im Marburger Universitätsklinikum verfolgt wird.

Eine weitere Strategie ist der Einsatz von Medikamenten für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen und besonderen Formen der Lungenfibrose. Als Folge der „Vernarbung“ des Lungengewebes gelangt nicht mehr genügend Sauerstoff ins Blut und dies soll durch bestimmte Medikamente verbessert werden.

Schließlich gibt es Berichte über Kombinationsansätze mit diesen und anderen Strategien. Das Konzept dahinter ist, dass durch einen gleichzeitigen Angriff auf verschiedenen Ebenen möglicherweise noch bessere klinische Ergebnisse erzielt werden können.

Dieses Forschungsfeld steht gerade erst am Anfang und es muss natürlich auch schnell gehen, denn die Prüfung solcher Ideen schon jetzt in der aktuellen Welle der Coronavirus-Infektionen wäre wünschenswert. Dem entgegen steht natürlich immer die Frage der Patientensicherheit. Deswegen müssen Medikamente, auch wenn sie bereits für andere Erkrankungen zugelassen sind, einen genau festgelegten Stufenplan an vorklinischen und klinischen Prüfungen durchlaufen, bevor sie für den Einsatz bei Covid-19-Patienten im Allgemeinen zugelassen werden können.

Die große Herausforderung besteht also heute darin, einerseits den Medizinern die Möglichkeit zu geben, diese spannenden Ansätze aus Forschung und Klinik in dieser akuten Phase der Pandemie am Patienten zu testen und zu prüfen, andererseits aber die Sicherheit und die ethischen Aspekte nicht aus dem Auge zu verlieren – damit diese klinischen Studien auch auf einem hohen internationalen Qualitätsniveau realisiert werden können, welches am Ende dann eine Risiko-Nutzen-Beurteilung ermöglicht. Hier ist also jetzt im wahrsten Sinne des Wortes „ein langer Atem“ erforderlich.

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Im nächsten Beitrag von Professor Renz geht es um weitere aktuelle Fragen rund um das Corona-Virus sowie um Themen der aktiven und passiven Immunisierung – der Impfung.

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