Hessen: Ausbau der stationären Versorgung
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Ein Krankenpfleger schiebt ein Krankenbett durch das Universitätsklinikum Frankfurt.
© Quelle: picture alliance/Andreas Arnold/dpa/Archivbild
Wetzlar/Wiesbaden/Kassel. Die Reaktivierung geschlossener Krankenhäuser würde nach Einschätzung des Klinikverbunds Hessen kaum neue Kapazitäten für Corona-Patienten schaffen. Denn man brauche nicht nur Räume, sondern vor allem medizinisches Gerät und Personal, sagte Geschäftsführer Reinhard Schaffert am Dienstag: "Das wird das Hauptproblem sein." Wenn man allerdings irgendwann vor der Frage stehe, ob man Kranke in einer Turnhalle oder ehemaligen Klinik unterbringe, "dann ist die ehemalige Klinik sicher besser geeignet". An einem solchen Punkt sei man aber nicht.
Das Land Hessen hatte am Montag einen Ausbau der stationären Versorgung angesichts der bevorstehenden Herausforderungen durch die Krankheit Covid-19 angekündigt. Zuletzt gab es laut Krankenhausgesellschaft 1815 Intensivbetten, die standardmäßig mit Beatmungsmaschinen ausgerüstet sind. Hinzu kommen etwa 1400 Beatmungsgeräte in anderen Krankenhausbereichen.
Die Zahl der Covid-19-Infektionen lag in Hessen nach Zahlen des Sozialministeriums (Stand 14.00 Uhr) bei 1617 bestätigten Fällen, darunter fünf Todesfälle. Behörden gehen davon aus, dass die Zahlen weiter steigen: "In den kommenden Wochen und Monaten wird die medizinische Versorgung auch in Hessen sehr stark beansprucht", hatte Sozialminister Klose (Grüne) erklärt.
Deshalb ist Hessen in sechs Gebiete aufgeteilt, in denen jeweils ein Krankenhaus die Versorgung koordiniert: Klinikum Kassel, Klinikum Fulda, Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Universitätsklinikum Frankfurt, Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und Klinikum Darmstadt.
Zusammen mit diesen Krankenhäusern entwickele nun ein Planungsstab eine funktionierende Versorgungsstruktur für die bestehende Sonderlage, sagte Alice Engel, Sprecherin des Sozialministeriums: "Inwieweit einzelne Krankenhäuser eingebunden werden, steht noch nicht fest."
Nach zahlreichen Klinikschließungen der vergangenen Jahre wären auch leerstehende Krankenhäuser eine Option. Im Landkreis Kassel beispielsweise wurde die Kreisklinik Wolfhagen Ende Februar wegen Brandschutzmängeln geschlossen. Eine Reaktivierung hält Kreissprecher Harald Kühlborn für machbar und sinnvoll. "Bevor man Turnhallen und Stadthallen nimmt, sollte man die Gebäude nehmen, die schon mal als Krankenhäuser genutzt worden sind und leicht wieder herstellbar sind", sagt er. Konkrete Schritte gebe es aber noch nicht. Welche Häuser genutzt würden, entscheide der Bedarf und ein mehrstufiges Verfahren.
Auch in Lindenfels im Kreis Bergstraße gibt es eine leere Klinik. Das Luisenkrankenhaus wurde 2016 geschlossen, das Gebäude sei heute im Besitz einer Investmentgesellschaft, erklärt Bürgermeister Michael Helbig (SPD): "Die ist an uns herangetreten und hat gesagt, sie würde die Klinik als Notkrankenhaus zur Verfügung stellen." Hoffnungen auf eine dauerhafte Inbetriebnahme wie manche Bürger macht sich Helbig aber nicht: "Wenn ein Notkrankenhaus kommt und wieder verschwindet - das hilft uns nicht."
Der Geschäftsführer der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Steffen Gramminger, sieht in Reaktivierungen ebenfalls eher eine Alternative für den Notfall: "Wir sollten uns aber zunächst darauf konzentrieren, laufende Gesundheitseinrichtung zu stärken und diese dann voll zu nutzen." Dazu zählten Vorsorge- und Rehakliniken, Privatkliniken und Fachkliniken. "Mit Sicherheit spielen auch kleine Fachkliniken eine große Rolle", sagt er. Je nach Phase der Pandemie und Anzahl der Patienten sowie dem Anteil der im Krankenhaus Behandlungsbedürftigen werde ein Stufenplan erarbeitet.
Unterdessen bereiten sich die Krankenhäuser auf die Versorgung einer großen Zahl an Covid-19-Patienten vor. Das Uniklinikum Frankfurt (KGU) will nach eigenen Angaben noch in dieser Woche eine organisatorisch eigenständige Klinik einrichten. In ihr sollen mit dem Coronavirus infizierte Menschen räumlich getrennt von den übrigen Patienten behandelt werden. "Es handelt sich um eine in der Geschichte unseres Hauses einmalige Umstrukturierung", sagte der Ärztliche Direktor des KGU, Professor Jürgen Graf.
Das Klinikum Darmstadt untersucht bereits alle neuen Patienten vor dem Betreten des Gebäudes. Covid-19-Verdachtsfälle werden zunächst in ein zusätzlich in Betrieb genommenes Zelt gebracht. Menschen ohne spezifische Symptomen wie Husten, Fieber oder Halsschmerzen dürfen die Klinik über einen Hintereingang betreten. Damit solle der Kontakt zwischen Infizierten und Nicht-Infizierten verringert werden, wie das Krankenhaus mitteilte.
Laut dem Kasseler Klinikkonzern Gesundheit Nordhessen Holding (GNH) muss für die erwartete Dauer der Pandemie auch die Betreuungen der Patienten gewährleistet sein, die nicht an der Lungenkrankheit Covid-19 leiden. "Aus diesen Gründen sehen die Planungen vor, dass die Krankenhäuser bestimmte Schwerpunkte zugewiesen bekommen, die sich je nach Eskalationsstufe in der Pandemie verschieben können", teilte die GNH mit.
dpa