Corona erschwert Traumabewältigung nach Hanauer Attentat
Hanau. Die Hanauer Opferbeauftragte Silke Hoffmann-Bär berichtet drei Monate nach dem Attentat von Erfolgen bei der Traumabewältigung - aber auch von Problemen bei der Aufarbeitung. "Die Corona-Krise macht uns einen Strich durch die Rechnung und erschwert die weiteren Schritte", sagte die Leiterin der städtischen Stabstelle für Gesundheit der Deutschen Presse-Agentur. Wegen der Kontaktbeschränkungen seien etwa therapeutische Behandlungen stark eingeschränkt. "Die Patienten sind im Vakuum gefangen."
Nur vereinzelt gelinge die Betreuung über Bildtelefonie oder Videokonferenzen. Erschwert werde die Begleitung der Angehörigen zusätzlich durch eine vorhandene "psychotherapeutische Unterversorgung", wie Hoffmann-Bär beurteilte. "Es ist generell schwer, einen Therapeuten zu finden". Die Medizinerin rechnet damit, dass die psychologische Betreuung noch über Jahre nötig sein werde. "Manch einer wird wahrscheinlich zeitlebens Unterstützung benötigen." Andere hätten sich noch gar nicht gemeldet. "Da gibt es wohl kulturelle Unterschiede." Angebote zur Betreuung hätten aber auch weitere Verletzte und Augenzeugen bekommen, erklärte die Stadt.
Am Abend des 19. Februar hatte in Hanau ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Er soll auch seine Mutter umgebracht haben, bevor er sich selbst tötete. Die Ermittler gehen von einer Tat aus rassistischen Motiven aus. Vor der Tat hatte er Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.
Die Hinterbliebenen haben Hoffmann-Bär zufolge rasch finanzielle Entschädigungen erhalten. Über eine Million Euro seien gezahlt worden. Die Hilfen stammten aus einem Fonds des Bundesjustizministeriums für Opfer von extremistischer Gewalt. Ehepartner, Kinder und Eltern von Getöteten bekommen nach Antrag 30 000 Euro und Geschwister 15 000 Euro.
Derweil ruhen derzeit nach Angaben der Stadt die Pläne für eine Gedenkstätte in Hanau. Treffen mit den Angehörigen zur Abstimmung über offene Fragen seien wegen des Corona-Kontaktverbots noch nicht möglich gewesen. Dabei solle geklärt werden, wo die Entstehung einer Erinnerungsstätte denkbar ist und wie sie gestaltet werden soll. Ebenso unklar ist die Frage nach Gedenktafeln, die an den Tatorten angebracht werden sollen.
dpa