Verkehr

Knöllchen von Leiharbeitern gesetzeswidrig

Ein «Knöllchen» für einen Falschparker ist unter dessen Scheibenwischer geklemmt.

Ein «Knöllchen» für einen Falschparker ist unter dessen Scheibenwischer geklemmt.

Frankfurt/Main. Kommunen dürfen keine privaten Dienstleister zur Verkehrsüberwachung einsetzen. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt hervor. Das Recht, Ordnungswidrigkeiten wie Falschparken zu ahnden, sei ausschließlich dem Staat zugewiesen. Dieses staatliche Gewaltmonopol beziehe sich auf den fließenden und den ruhenden Verkehr. Im konkreten Fall ging es um 15 Euro Verwarngeld, die ein in Frankfurt als Stadtpolizist eingesetzter Leiharbeiter einer privaten Firma verhängte (Aktenzeichen 2 Ss-OWi 963/18).

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Auch in anderen hessischen Kommunen ist die vom OLG als gesetzeswidrig bezeichnete Vorgehensweise gängige Praxis, wie das Gericht unter Berufung auf das Innenministerium mitteilte. Die Auswirkungen auf betroffene Autofahrer waren zunächst unklar. Potenziell betrifft die Entscheidung Hunderttausende Knöllchen. Allein im Jahr 2018 seien in Frankfurt mehr als 700 000 Parkverstöße geahndet worden, mehr als zehn Millionen Euro seien dafür insgesamt eingefordert worden, erklärte das OLG.

Zur Begründung heißt es in der Entscheidung, die der Stadt Frankfurt als Polizeibehörde gesetzlich zugewiesene Verpflichtungen, den ruhenden Verkehr zu überwachen und Verstöße zu ahnden, seien hoheitliche Aufgaben. Diese dürften nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden. Im konkreten Fall müsse das Verfahren gegen den Autofahrer eingestellt werden, da die zugrundeliegenden Beweise einem "absoluten Beweisverwertungsverbot" unterlägen. Er hatte im eingeschränkten Halteverbot geparkt. Das Amtsgericht hatte seinen Einspruch noch abgelehnt.

Das OLG Frankfurt sei bundesweit das erste Oberlandesgericht, das sich mit der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes privater Dienstleister im Bereich der Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs befasst habe. Nach Angaben des Straßenverkehramts werden Leiharbeiter bis heute in Frankfurt eingesetzt, sie tragen auch Uniform. Man habe sich an die ministeriellen Vorgaben gehalten, sagte ein Sprecher. Über Konsequenzen müsse nun zunächst beraten werden.

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Das OLG kritisierte, da die Frankfurter Leiharbeiter Uniform trügen, sei "ein nach Außen täuschender Schein der Rechtsstaatlichkeit aufgebaut worden", um "den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln". Tatsächlich sei ein privater Dienstleister eingesetzt worden, der durch Verwarngelder finanziert werde, deren Grundlage, die Verstöße, er selbst erhebe.

Im November hatte es das OLG bereits in einer Grundsatzentscheidung für gesetzeswidrig erklärt, wenn Städte und Gemeinden Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr Firmen übertragen. Grundlage war hier ein Fall aus dem Main-Kinzig-Kreis.

Welche anderen Kommunen in Hessen noch von der Knöllchen-Entscheidung betroffen sind, war zunächst unklar. Der hessische Städte- und Gemeindebund erklärte, es sei in jedem Fall mit vielen Nachfragen in den Gemeinden zu rechnen. Bereits nach der Entscheidung zu den Geschwindigkeitsmessungen habe man die Mitgliedskommunen sensibilisiert, was den Einsatz von Leiharbeitern betrifft.

Die Linke-Fraktion im Landtag erklärte, das Urteil bestätige die Auffassung der Partei, dass öffentliche Aufgaben auch in die öffentliche Hand gehörten. "Wir hoffen, dass die Stadt Frankfurt und die anderen betroffenen Kommunen dieses Urteil nun zum Anlass nehmen, ihre kommunalen Polizeibehörden personell sinnvoll auszustatten", erklärte die Fraktion. Denn es gebe eine erhebliches Vollzugsdefizit auf den Straßen, gerade in Frankfurt.

Eine OLG-Sprecherin sagte, die Entscheidung sei rechtskräftig. Theoretisch könnten sich Autofahrer bundesweit darauf berufen und ein Knöllchen daraufhin überprüfen, ob es von einem privaten Dienstleister ausgestellt worden sei.

dpa

OP

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