Starke Zunahme der Coronavirus-Fälle in Hessen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PGLKMDVLZS6W7WPP4JNIM25A6U.jpg)
Hessens Sozialminister Kai Klose (Bündnis 90/Die Grünen).
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Frankfurt/Wiesbaden. Wegen des Coronavirus will Hessen die Absage von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern anordnen. Das kündigte Sozialminister Kai Klose (Grüne) am Donnerstag an. Zuvor hatte das Bundesland den Kommunen lediglich empfohlen, solche Veranstaltungen abzusagen. Schulen und Hochschulen in Hessen bleiben aber geöffnet. Von Lehrerverbänden gab es am Donnerstag jedoch erste Stellungnahmen zu möglichen Schließungen - eine zeitnahe und landesweite Entscheidung wurde angemahnt.
Die neue Anweisung des Sozialministeriums betrifft vor allem Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Messen und Hauptversammlungen von Unternehmen und gilt Klose zufolge zunächst bis zum 10. April. Es werde dabei nicht zwischen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel unterschieden, sagte der Minister in Wiesbaden. Rechtliche Grundlage dafür sei das Infektionsschutzgesetz. Regressansprüche von Veranstaltern entstünden aus der Weisung erstmal keine.
Unterdessen hat sich die Zahl der bestätigten Infektionen in Hessen binnen kurzer Zeit fast verdoppelt. Bis Donnerstagnachmittag (14.00 Uhr) waren nach Angaben des Sozialministeriums in Wiesbaden 91 Sars-CoV-2-Fälle bestätigt. Bis Mittwochnachmittag waren es 48 Fälle gewesen. So gab es sieben neue Fälle in Frankfurt, wo nun 15 Infektionen bestätigt sind. Der Main-Kinzig-Kreis meldete zudem wenig später neun neue Infektionen. Laut Ministerium gab es zudem fünf neue Fälle in Wiesbaden und sechs im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, in dem zuvor noch keine Krankheitsfälle aufgetreten waren. Am Abend meldete der Landkreis Fulda 16 weitere Infektionen.
"Alle erkrankten Personen weisen aktuell milde Verläufe mit keinen oder leichten Symptomen auf", hieß es. Eine stationäre Aufnahme trotz keiner oder nur milder Symptome werde in Betracht gezogen, wenn die Wohnsituation der Person eine häusliche Absonderung nicht oder nur schwer zulässt.
Krankheitsfälle zwangen auch örtliche Krisenmanager ins Home Office: Nachdem in der Stadtverwaltung Bad Hersfeld ein Mitarbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet wurde, wurden alle seine Kollegen, die mit ihm Kontakt hatten, am Donnerstag nach Hause geschickt. Auch der Bürgermeister sagte alle Veranstaltungen ab und arbeitete von zu Hause aus; das Rathaus wurde zunächst für einen Tag vorsorglich geschlossen.
Aufgrund von Coronavirus-Fällen ist seit Donnerstag eine städtische Kindertagesstätte in Wiesbaden geschlossen. Wegen zweier Verdachtsfälle im Wetzlarer Stadtteil Dutenhofen sind dort seit Donnerstag eine Kindertagesstätte und eine Grundschule bis auf weiteres geschlossen.
Das Schulamt, das Gesundheitsamt, Stadt und Landkreis Fulda baten am Donnerstag darum, dass Lehrer Schüler, Erzieher und Kinder für 14 Tage zu Hause bleiben, wenn sie selbst in einem internationalen Risikogebiet wie Italien oder einem besonders gefährdeten Gebiet - etwa dem Landkreis Heinsberg - waren. Dies gelte auch, wenn Eltern, Großeltern oder andere Mitbewohner aus einem Risikogebiet zurückgekehrt seien. Auch bei noch unbestätigten Verdachtsfällen solle auf den Besuch von Schule oder Kindergarten verzichtet werden.
Der Hessische Philologenverband forderte am Donnerstag das Kultusministerium zu einer zeitnahen und hessenweiten Entscheidung auf, ob es zur Eindämmung des Coronavirus Sars-CoV-2 zu Schulschließungen kommt. "Schulschließungen werden mit Härten für alle Beteiligten, also für Schüler, Eltern und Lehrkräfte, verbunden sein", hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme des Verbands. "Wir brauchen jetzt aber gesamtgesellschaftliche, solidarische Anstrengungen im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus."
Aufgrund der Entwicklung der letzten Tage sehe der Philologenverband die Sorgen bestätigt und erinnere an die besondere Fürsorgepflicht des Landes Hessen dem Schulpersonal und den Kindern gegenüber.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte bestmögliche Unterstützung und Information der Bildungseinrichtungen in der Coronakrise. "Im Mittelpunkt aller Entscheidungen muss immer die Gesundheit der Kinder, Jugendlichen und Lehrenden stehen", sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag. "Die Kultusministerien müssen in Kooperation mit den Gesundheitsämtern für Rechts- und Entscheidungssicherheit in den Bildungseinrichtungen sorgen. Dazu gehört beispielsweise, Schul- und Kitaschließungen - wenn nötig - anzuordnen."
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) lehnt deutschlandweite Schließungen von Schulen und Kindergärten zur Eindämmung des Coronavirus ab. "Ein Punkt ist doch: Wenn Kindergärten und Grundschulen schließen, wo kommen die Kinder dann hin? Zu Oma und Opa, zu genau der Gruppe, die am höchsten gefährdet ist", sagte er der "Bild"-Zeitung am Donnerstag. Wer flächendeckend alles zumache, müsse auch eine Idee haben, wie es weitergehe. "Die gefährdetste Gruppe zur Betreuung der Kinder abzustellen, halt ich nicht für klug."
Schulen und Kindergärten flächendeckend zu schließen, halte er nicht für sinnvoll, sagte Bouffier. "Denn wir haben überall unterschiedliche Situationen - aber wir beraten darüber."Wegen einer hohen Nachfrage an Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln haben Sozialverbände in Hessen auf Beschaffungsprobleme und finanzielle Belastungen hingewiesen. Die Wiederbeschaffung von Schutzkleidung und -masken sei "sehr problematisch", da die Preise durch die hohe Nachfrage gestiegen seien, sagte eine Sprecherin der hessischen Diakonie am Donnerstag. Die Einrichtung habe daher das Sozialministerium in Hessen aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Auch der Bundesverband privater Anbieter in Hessen bat "eindringlich", die akuten Bedürfnisse der Pflegeeinrichtungen im Blick zu behalten. Verschiedene Einrichtungen schränkten den Angaben zufolge zum Schutz pflegebedürftiger Menschen das Besuchsrecht ein. Außerdem wurden Veranstaltungen mit externen Besuchern überwiegend abgesagt.
Wegen des Coronavirus ist das Lichtkunst-Spektakel Luminale in Frankfurt und Offenbach abgesagt worden. Es sollte am (heutigen) Donnerstag beginnen und bis Sonntag dauern. Die Entscheidung sei in enger Abstimmung mit dem Frankfurter Gesundheitsamt getroffen worden, teilte die Stadt Frankfurt am Donnerstag mit.
Die Stadt Frankfurt sagte wegen des Coronavirus alle zentralen städtischen Veranstaltungen vorerst ab. Betroffen sei unter anderem ein Einbürgerungsempfang in der Paulskirche, ein Festakt anlässlich des 40-jährigen Bestehens des English Theatre sowie Auszeichnungen und Ehrungen, teilte die Stadt am Donnerstag mit. Sie sollen nach Möglichkeit später im Jahr nachgeholt werden. "Gesundheit geht vor", sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). "Wir müssen im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus Zeit gewinnen" Betroffen sind den Angaben zufolge städtische Veranstaltungen im Kaisersaal, im Römer und in der Paulskirche bis einschließlich der Osterferien.
Auswirkungen hat die Sorge vor einer Verbreitung des Coronavirus auch auf eine für Freitag geplante Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg in Darmstadt. In den beiden geplanten Ausweichquartieren würden insgesamt noch rund 800 bis 900 Menschen erwartet, sagte ein Sprecher der Stadt. Hier solle es vom Roten Kreuz kurze Medizinchecks geben, auch Möglichkeiten zur Desinfektion würden bereitgestellt. Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, würden separat untergebracht.
dpa