Beuth räumt Engpass bei Hanauer Notruf am Anschlagsabend ein
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/W6R53IAS2QVGLBEZGKCL6JRLHQ.jpg)
Peter Beuth (CDU), Innenminister von Hessen.
© Quelle: Boris Roessler/dpa/Archivbild
Hanau. Knapp ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag mit neun Toten in Hanau hat Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) einen Engpass beim Notruf der Hanauer Polizeistation in der Tatnacht eingeräumt. "Es ist richtig, dass die Polizeistation nur eine begrenzte Anzahl von Anrufen in dieser Nacht entgegennehmen konnte", erklärte der Minister am Dienstag in Wiesbaden. Das gesamte Notrufaufkommen für die Polizeistation Hanau betrage täglich durchschnittlich 80 Anrufe. "Eine Weiterleitung von vielen gleichzeitig eintreffenden Notrufen war zum Zeitpunkt der Tatnacht technisch nicht möglich", so Beuth.
Mit dem Umzug des Polizeipräsidiums Südosthessen in die neue Dienststelle werde eine Zentralisierung aller polizeilichen Notrufe des Zuständigkeitsbereichs in einer Leitstelle realisiert. Dies sei bereits in allen anderen hessischen Polizeipräsidien umgesetzt und im Präsidium Südosthessen als letztes noch verbliebenes Präsidium angestoßen, "aber aufgrund baulicher wie technischer Voraussetzungen noch nicht vollendet worden", erklärte der Minister. Um sicherzustellen, dass mehr Notrufe in Hanau, aber auch in allen anderen Dienststellen des Präsidiums Südosthessen bei einer "herausragenden polizeilichen Lage" entgegengenommen werden können, sei ein Weiterleitungskonzept an das Polizeipräsidium Frankfurt entwickelt worden, das in diesem Monat fertiggestellt werden solle.
Zugleich hob Beuth erneut das schnelle Handeln der Einsatzkräfte hervor. "Nach meinem Kenntnisstand hat die hessische Polizei nach dem Eingang erster Notrufe unmittelbar gehandelt und war innerhalb von nur ein bis zwei Minuten am ersten Tatort am Heumarkt", erklärte er. "Am Tatort in Hanau-Kesselstadt trafen polizeiliche Kräfte drei bis vier Minuten nach der Meldung per Notruf ein."
Zuvor hatte die Hanauer Staatsanwaltschaft nach Berichten über einen möglicherweise zum Zeitpunkt des Attentats mangelhaft besetzten Polizeinotruf in der Stadt ein Prüfverfahren eingeleitet. Es gehe um den Vorwurf der Nichterreichbarkeit des polizeilichen Notrufes am Tag des Anschlags, hatte die Behörde mitgeteilt.
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Zuvor hatte der Mann Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht. Nach der Tat soll der 43-Jährige auch seine Mutter umgebracht haben, bevor er sich selbst tötete.
Zuletzt war auch bekannt geworden, dass die Hanauer Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer möglicherweise verschlossenen Notausgangstür an einem der Tatorte ermittelt. Beuth trat am Dienstag Spekulationen in Medienberichten entgegen, die Polizei habe möglicherweise von der verschlossenen Tür gewusst oder dies sogar angeordnet. "Bezüglich der immer wiederkehrenden Behauptung, der Notausgang in der Arena-Bar sei auf polizeiliche Anweisung verschlossen gewesen, stelle ich fest, dass dies nicht den Tatsachen entspricht. Die hessische Polizei würde niemals Anweisungen erteilen, die den Gesetzen zuwiderlaufen", betonte der Minister. "Im Gegenteil: Die Polizei hat das zuständige Gewerbeamt der Stadt Hanau zuletzt im Jahr 2017 darauf hingewiesen, dass der Notausgang zum Zeitpunkt einer damaligen Gaststättenkontrolle unerlaubterweise verschlossen war. Das ist aktenkundig."
Zuvor hatte das Hanauer Ordnungsamt zu den Berichten über den verschlossenen Notausgang mitgeteilt, dazu lägen "keinerlei Hinweise vor". 2013 und 2017 habe es wegen des verschlossenen Notausgangs unter dem damaligen Betreiber Beanstandungen und Kontrollen gegeben. Wenige Wochen vor dem Anschlag habe ein neuer Wirt die Bar übernommen. "Hinweise auf verschlossene Fluchtwege habe es für das Ordnungsamt seit November 2017, insbesondere aber zu Zeiten des neuen Betreibers im Jahr 2020 nicht gegeben", so das Hanauer Ordnungsamt.
© dpa-infocom, dpa:210202-99-268885/3
dpa
OP