Was treibt Lance Armstrong zu einer möglichen Dopingbeichte an? Eine für ihn sinnvolle Reduzierung seiner lebenslangen Sperre kann es kaum sein. Das lebenslängliche Fahrverbot seines einstigen Team-Kollegen und Tyler Hamilton, dem Kronzeugen der amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA, war nach dessen Geständnis auf acht Jahre verringert worden. In einem vergleichbaren Fall wäre Armstrong 50, wenn er wieder in Triathlon-Wettbewerben antreten könnte. Dennoch verdichten sich die Anzeichen, dass die gefallene Rad-Ikone auspackt - wenn auch nur dosiert.
Wie die „USA Today“ am Samstag unter Berufung auf eine anonyme Quelle schrieb, plant Armstrong kommende Woche bei seinem Interview mit Star-Moderatorin Oprah Winfrey ein Doping-Geständnis abzugeben. Eine detaillierte Beschreibung des Doping-Systems ist wohl nicht zu erwarten. Das Gespräch soll am Montag in Armstrongs Haus in Austin/Texas aufgezeichnet und am Donnerstag im amerikanischen TV-Sender OWN ausgestrahlt werden.
„Juristischen Suizid wird er nicht begehen. Dazu ist er zu berechnend“, vermutet auch Insider Rolf Aldag, der als geständiger Jan-Ullrich-Helfer lange gegen Armstrong fuhr und jetzt im Management des Tony-Martin-Rennstalls Omega Pharma Quick-Step sitzt. „Die Beweislast durch die USADA-Erkenntnisse ist sicher erdrückend, aber wir wissen ja alle nicht, was, und ob er überhaupt etwas zugibt. Wird es die große Beichte? - Keine Ahnung“, meinte Ex-Profi Aldag.
In dem Artikel der „USA Today“ heißt es, der 41-Jährige habe vor, die Einnahme leistungssteigernder Mittel zuzugeben. Bereits in der vergangenen Woche hatte die „New York Times“ berichtet, der Texaner erwäge ein Geständnis. Bislang hatte Armstrong vehement Dopingmissbrauch bestritten.
Die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA konnte ihm jedoch aufgrund von Zeugenaussagen ehemaliger Team-Kollegen nachweisen, illegale Substanzen genommen und vertrieben zu haben. Der Amerikaner verlor daraufhin seine sieben Tour-de-France-Titel und wurde lebenslang gesperrt. Seine Vertreter, darunter Anwalt Tim Herman, kommentierten den Bericht der „USA Today“ zunächst nicht.
Auch eine nicht allumfassende - und mit seinen Rechtsvertretern abgestimmte - öffentliche Beichte dürfte juristische Folgen haben: Armstrong hatte in früheren Verhandlungen unter Eid ausgesagt, niemals gedopt zu haben. Die britische „Sunday Times“ verklagt den Texaner, um die Rückzahlung von 500.000 US-Dollar nach einem Rechtsstreit zu erreichen. Zudem droht Armstrong durch die Aussagen seines früheren Teamkollegen Floyd Landis ein möglicher Prozess.
Mit einem Geständnis würde Armstrong allerdings in gewissem Maße das richtige Timing beweisen: Der Streit mit einer Firma aus Dallas über einen Vertragsbonus von 7,5 Millionen US-Dollar ist möglicherweise inzwischen verjährt. Laut einem Bericht der CBS-Fernsehsendung “60 Minutes Sports“ hatte sich Armstrong jüngst mit USADA-Chef Travis Tygart getroffen, um einen „Weg zur Erlösung“ auszuloten. Tygart kommentierte dies nicht.
dpa