Deutschland schreibt das Jahr 1955. Der Bundeswirtschaftsminister heißt Ludwig Erhard. Der britische Premierminister Winston Churchill geht in Rente. Und der deutsche Fußballmeister heißt Rot-Weiss Essen. Und es ist das Jahr, in dem Hermann Koch sich beim SSV Allna-/Ohetal anmeldet. Koch ist damals neun Jahre alt. Warum ausgerechnet der SSV Allna-/Ohetal, der übrigens noch vor 20 Jahren Sinkershäuser Sportverein hieß? Koch muss schmunzeln und erklärt: „Es gab keine anderen Sportvereine bei uns.“ Und warum Fußball? „Weil mein fußballverrückter Lehrer damals eine Schülermannschaft zusammenstellte.“ Diesem Verein jedenfalls hält er bis heute die Treue – jetzt schon 67 Jahre.
Bis zu seinem 40. Lebensjahr spielte Koch Fußball. „Ich habe vorwiegend im Mittelfeld gespielt, richtig gut aber war ich nicht“, gesteht er. Koch ist eben auch eine ehrliche Haut.
Er brach sich in einem Spiel das Bein vierfach
Als er 33 Jahre alt war, drohte seiner Laufbahn ein abruptes Ende. Koch: „Ich hatte mir in einem Spiel das Bein vierfach gebrochen.“ Ein paar Monate musste er auf seinen geliebten Fußball verzichten. Endlich wieder fit, lief er für die „Alten Herren“ auf. Mit 40 war dann endgültig Schluss. Aber nur als Aktiver.
Koch wurde 1977 erstmals in den Vorstand seines Klubs gewählt. 25 Jahre prägte er seit 1995 als Erster Vorsitzender das Vereinsgeschehen des rund 115 Mitgliedern starken Clubs, der vor zwei Jahren sein 100-jähriges Jubiläum feierte. „Ich schätze, ich habe pro Tag drei bis vier Stunden für den Verein gearbeitet“, sagt Koch. Nie Probleme deshalb mit der Familie? Nein, sagt Koch, seine Frau habe ihn bereits als aktiven Fußballspieler kennengelernt. „Meine Familie stand immer hinter mir“, bekräftigt er.
Erst im Oktober 2021 stellte er sich nicht mehr zur Wahl. Aber sich komplett vom Verein zurückzuziehen, das kam für ihn nicht infrage. „Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit auf dem Fußballfeld“, sagt er. Er pflegt den Sportplatz und mäht regelmäßig den Rasen.
Rasenpflege macht er bis heute
Das Grün hat er übrigens immer fest im Blick. Denn sein Haus ist nur einen Steinwurf entfernt. Von seinem Balkon aus hat er freie Sicht auf das Spielfeld.
So gepflegt wie heute war der Rasen nicht immer. Ende 2018 zerstörten Wildschweine fast die gesamte Rasenfläche. 230.000 Euro kostete es, bis das Spielfeld wieder komplett hergerichtet war.
Stolz ist Koch bis heute auf den Aufstieg des kleinen Klubs in die Bezirksklasse. Die glorreichen Zeiten aber sind längst vorbei, die erste Mannschaft des SSV Allna-/Ohetal dümpelt derzeit im Tabellenkeller der Kreisliga B Biedenkopf. Koch sieht es gelassen und sagt: „Die aktuelle Situation gibt es in jedem Verein. Wir hatten wie andere Vereine durch die Corona-Pandemie stark zu kämpfen, nachdem sich manche Spieler andere Hobbys gesucht haben.“ Das kommt für Koch natürlich nicht infrage. „Ich bleibe dem Verein wahrscheinlich erhalten, bis ich sterbe“, sagt er. Kaum verwunderlich also, dass er auch weiterhin zu allen Heimspielen geht, anstatt diese von seinem Balkon aus zu beobachten.
Von Felix Hamann