Die Wähler haben entschieden: Die Europawahl hat nicht nur so manchem „alten Hasen“ eine neue Chance gegeben. Auch einige schillernde Persönlichkeiten ziehen nun ins EU-Parlament ein. So haben es etwa die „rumänische Paris Hilton“ – Elena Basescu, 29-jährige Tochter des rumänischen Staatspräsidenten – und ein exzentrischer Multimillionär ebenfalls aus Rumänien – der Rechtsextremist George Becali – in die Volksvertretung für 500 Millionen EU-Bürger geschafft. Aus Frankreich kommt die glamouröse, elegante bisherige Justizministerin Rachida Dati. Für fünf Jahre dürfen sie über europäische Gesetze entscheiden.
Anfang Juli kommen Frischlinge und Erfahrene zur ersten Plenarwoche zusammen. Dann wird manches anders als zuvor. Zwar waren die Christlich-Konservativen schon während der vergangenen Legislaturperiode stärkste Kraft im Parlament, dennoch haben sich die Machtverhältnisse nach ihrem überragenden Sieg noch einmal leicht verschoben. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die künftige Gesetzgebung, sondern auch auf die Zusammensetzung der EU-Kommission.
Und doch: „Ich erwarte keine großen Probleme bei der Gesetzgebung“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia gestern in Brüssel. Der Spanier mag auf den ersten Blick recht haben, doch es sind die kleinen Veränderungen, die den Wind in der europäischen Volksvertretung leicht gedreht haben. Schuld daran ist der Erfolg der Rechtsparteien und Europaskeptiker, die aus vielen Ländern von den Wählern nach Brüssel geschickt worden sind.
So holte die österreichische rechtspopulistische FPÖ mehr als 13 Prozent der Stimmen, in Dänemark gewann die ausländerfeindliche DVP 15 Prozent. Auch die Niederlande, Finnland, Großbritannien und Rumänien sind demnächst durch Rechtspopulisten und Europa-skeptiker vertreten. Experten erwarten zwar, dass die Splitterparteien keinen allzu großen Einfluss auf das politische Geschehen haben werden. Aber es wird in Zukunft schwieriger, klare Mehrheitsentscheidungen zu fällen oder politische Zweckbündnisse zu schmieden. „Der Rechtsruck hat klare Auswirkungen auf die künftige EU-Politik. Spüren werden wir es bei der Einwanderungspolitik, der Kontrolle der Finanzmärkte und bei den Bürgerrechten“, sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
Dass die europäischen Sozialdemokraten verheerende Verluste eingefahren haben, befeuert die Machtverschiebung. Europaweit erhielten sie lediglich 22 Prozent aller Stimmen. Von den bisher 215 Abgeordneten, dürfen nach derzeitigem Stand der Ergebnisse nur noch 161 Parlamentarier nach Brüssel und Straßburg. Die andere große Fraktion, die christlich-konservative EVP, kommt auf 263. Trotz des guten deutschen Ergebnisses mussten die Liberalen insgesamt auf EU-Ebene Verluste hinnehmen. Einzig die Grünen legten um sieben Sitze zu – und das obwohl das Europaparlament von 785 auf 736 Abgeordnete verkleinert wird.
Diese Ergebnisse der Europawahlen müssen sich laut EU-Verträgen nun auch bei der Kommissionsbildung niederschlagen. Dies bedeutet, dass die Mehrheit der Kommissare aus dem christlich-konservativen Lager kommen wird. Marktliberale wie der bisherige irische Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy werden dort wohl künftig keinen Posten mehr bekommen.
Für José Manuel Barroso, den derzeitigen Präsidenten der Behörde, sind die Wahlergebnisse hingegen gute Nachrichten. Denn sein Wunsch nach einer zweiten Amtszeit scheint nun in Erfüllung zu gehen. Schließlich braucht er für die Wiederwahl die Mehrheit des Parlamentes. „Barroso hat jetzt die Legitimation für eine zweite Amtszeit“, sagte der Vorsitzende der Unionsabgeordneten im Europaparlament, Werner Langen. Zwar wollten sozialistische und grüne Abgeordnete den Portugiesen um jeden Preis verhindern, doch die Wahlergebnisse werden dies kaum möglich machen – Mehrheiten sind nicht in Sicht.
von Hanna Roth
Weitere Informationen (externe Links):
die deutschen Wahlergebnisse im Detail
die Sitzverteilung des Europaparlaments und die Wahlergebnisse nach Ländern