Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine lebenlange Freiheitsstrafe für den Angeklagten Alex W. gefordert. Laut der Vorsitzenden Richterin am Dresdner Landgericht Birgit Wiegan geht aus einer Antwort der russischen Generalstaatsanwaltschaft auf ein Rechtshilfeersuchen des Gerichts hervor, dass der Angeklagte von Juli 2000 an wegen der Diagnose „nicht differenzierte Schizophrenie“ für die Dauer eines Jahres unter Beobachtung stand. Der aus dem russischen Perm stammende Angeklagte, der seit 2003 in Deutschland lebt, sei von der Wehrdienstkommission in Russland zudem als wehrdienstunfähig eingestuft worden.
Aufgrund dieser neuen Lage trat das Gericht nochmals in die Beweisaufnahme ein, um einen psychiatrischen Sachverständigen anzuhören. Dieser hatte Alex W. zunächst als voll schuldfähig eingestuft. Das für Montagnachmittag geplante Plädoyer der Verteidigung wurde vertagt. Ob es wie geplant am Mittwochvormittag zur Urteilsverkündung kommen wird, war zunächst noch offen.
Der 28-jährige Alex W. hatte die schwangere Marwa El-Sherbini am 1. Juli während einer Verhandlung im Dresdner Landgericht vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes mit einem Messer angegriffen, nachdem sie als Zeugin gegen ihn ausgesagt hatte. Zu dem Verfahren war es damals gekommen, nachdem Alex W. das spätere Opfer auf einem Kinderspielplatz unter anderem als „Terroristin“ und „Islamisch“ beschimpft hatte. Die 31-Jährige starb noch im Gericht. Ihr Mann überlebte schwer verletzt.
„Sein Motiv war ein unbändiger, ungebremster Ausländerhass“, sagte Oberstaatsanwalt Frank Heinrich am Montag in seinem Plädoyer. Nach Auffassung der Anklage machte sich Alex W. des Mordes, des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Die Staatsanwaltschaft forderte zudem, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, was eine vorzeitige Entlassung des Angeklagten bereits nach 15 Jahren Haft ausschließen würde. „Der Angeklagte hat in Killermanier, wie ein Berserker, auf Marwa El-Sherbini und ihren Ehemann Ely Oka eingestochen“, sagte Heinrich.
Der Angeklagte gestand die Tat weitgehend, bestritt aber, geplant und aus Ausländerhass gehandelt zu haben. Der Oberstaatsanwalt widersprach dem: „Der Angeklagte hat die Tat kaltblütig geplant.“ Die Anklage sieht die Mordmerkmale der Heimtücke und niedrigen Beweggründe erfüllt.
afp