Der Fall, der derzeit Verwaltungsgerichte beschäftigt, hat in der sächsischen Polizei bereits Kreise gezogen. Auch der Landespolizeipräsident Sachsens ist mittlerweile eingeschaltet worden. Denn die Fragen, die in der juristischen Auseinandersetzung diskutiert werden, sind für Sachsens Polizei durchaus heikel. Die Polizei möchte einen Polizeianwärter aus ihren Reihen entfernen, der sich als Frau bewarb und auch eingestellt wurde – sich in der Ausbildung aber als Mann identifizierte.
Der Polizeianwärter pocht nun auf sein Recht, die Ausbildung beenden zu dürfen. Die Bereitschaftspolizei wirft ihm dagegen vor, arglistig getäuscht zu haben.
Einstellungstest als Frau absolviert
In dem Fall geht es zunächst einmal um formelle Fragen. Sicher ist, dass der Polizeianwärter den Einstellungstest – auch die sportlichen Prüfungen – im Sommer 2019 als Frau absolvierte. Nachdem er im Herbst 2020 die Ausbildung an einer Polizeifachschule aufgenommen hatte, wurde ihm irgendwann klar, dass er ein Mann sei. So stellt es auch sein Anwalt dar.
Die Polizei verweist intern nach LVZ-Informationen darauf, dass nicht das Leben als trans Mann oder eine künftige Geschlechtsangleichung der Grund für den Rauswurf des Polizeianwärters gewesen sei. Das Präsidium der Bereitschaftspolizei wirft dem Nachwuchspolizisten vielmehr vor, dass er die Unwahrheit gesagt habe. Im Zuge der Bewerbung hat er einen Fragebogen ausfüllen müssen. Hierbei gab er an, dass er sich nicht in psychotherapeutischer Behandlung befunden habe. Genau das zieht die sächsische Polizei mit Verweis auf seine spätere Identifikation als Mann aber infrage.
Hat der Polizeianwärter die Unwahrheit gesagt?
Die Verantwortlichen bei der Polizei gehen davon aus, dass der heutige Polizeianwärter bereits beim Einstellungsverfahren wegen seiner Geschlechtsidentität in psychologischer Beratung war. Das soll sich aus der polizeiärztlichen Untersuchung des Falls ergeben haben, die nach dessen Ausbildungsbeginn initiiert wurde. Deswegen entzog ihm die Bereitschaftspolizei im August 2021 den Beamtenstatus auf Probe, er sollte die Ausbildung nicht mehr abschließen.
Die Gegenseite verweist darauf, dass im Sommer 2019 lediglich die Eltern einen Therapeuten aufgesucht hätten. Ihr Kind soll nur in der Praxis anwesend gewesen sein. Beim Einstellungsverfahren sei also nichts Unwahres angegeben worden.
Gerichtsbeschluss: Anwärter darf Ausbildung erst mal fortsetzen
Eine grundsätzliche Entscheidung in dem Rechtsstreit steht nach wie vor aus. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen hat allerdings Anfang April beschlossen, dass der Betroffene die Polizeiausbildung erst einmal wieder aufnehmen kann: Sein privates Interesse überwiege das öffentliche Interesse am Widerruf des Beamtenstatus.
Dennoch neigt auch das OVG zur Ansicht, dass der Nachwuchspolizist bereits im Sommer 2019 in psychotherapeutischer Behandlung war. Allerdings müsse man in einem Hauptverfahren unter anderem berücksichtigen, dass dieser beim Ausfüllen des Fragebogens minderjährig gewesen sei, heißt es im Beschluss.
Das Innenministerium äußerte sich auf Anfrage nicht zum Fall: „Zum konkreten Sachverhalt können wir aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten keine Auskunft erteilen“, teilte ein Sprecher mit. „Grundsätzlich haben das Geschlecht und die sexuelle Orientierung von Personen, die sich bei der Polizei Sachsen bewerben, keinerlei Bedeutung für das Auswahlverfahren – es herrschen gleiche Chancen für alle. Wer in Bewerbungsverfahren umfassende und wahrheitsgemäße Angaben macht, hat keine Nachteile.“
Anwalt: „Auch Polizei muss sich an Recht und Gesetz halten“
Der Anwalt des Polizeianwärters, Helmut Schwarz, hat am Mittwoch nun weitere rechtliche Schritte ergriffen und einen neuen Antrag beim Verwaltungsgericht Chemnitz eingereicht: Bislang habe die Bereitschaftspolizei auch auf Nachfrage nicht erkennen lassen, wo und wie sein Mandant seine Ausbildung fortsetzen könne, sagt er. Zudem würden nach wie vor keine Dienstbezüge gezahlt. Deshalb hat Schwarz am Donnerstag die Vollstreckung des OVG-Beschlusses binnen zwei Wochen und ansonsten ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro beantragt: „Auch die Polizei muss sich an Recht und Gesetz halten.“
Die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen hat ebenfalls ein Auge auf den Fall. „Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Umsetzung von Gerichtsbeschlüssen, die dem Dienstherrn als persönliche Niederlage erscheinen, so schleppend vorangeht“, sagt der Vorsitzende Hagen Husgen. Die Animositäten müssten ein Ende haben.
Dieser Artikel erschien zuerst in der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ).
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Von Kai Kollenberg, Andreas Debski/RND
Der Artikel "Er bewarb sich noch als Frau: Sachsens Polizei will trans Mann rauswerfen" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.