Niedersachsen geht als erstes Bundesland einen neuen Weg der Verkehrsüberwachung. Dabei wird nicht wie bisher an einem festen Punkt die Geschwindigkeit der Autofahrer gemessen, sondern über einen mehrere Kilometer langen Streckenabschnitt: Alle Fahrzeuge werden zu Beginn und am Ende der Etappe von einer Kamera erfasst. Anhand der Zeit, in der die Strecke zurückgelegt wurde, lässt sich ermitteln, ob einzelne Fahrer die zulässige Geschwindigkeit überschritten haben. War das Auto zu schnell unterwegs, löst eine dritte Kamera den Blitzer aus.
Die neue Methode könnte laut Innenminister Boris Pistorius in der Region Hannover erprobt werden. Sie nennt sich „Section Control“ und wurde bereits 2009 vom Verkehrsgerichtstag in Goslar empfohlen. Sie hat nach Auffassung von Pistorius gleich mehrere Vorteile. Auf Unfallsstrecken, in Tunneln oder Baustellenbereichen werde die Verkehrssicherheit „wirksam und nachweislich erhöht“. Österreich und die Niederlande hätten damit gute Erfahrungen gemacht, sagte der SPD-Politiker am Montag in Hannover. Außerdem werde die Abschnittskontrolle von Autofahrern als „gerechter und fairer“ empfunden. Sie führe zu einem harmonischeren Verkehrsfluss und es entfalle das gefährliche Abbremsen vor stationären Blitzern.
Nach Pistorius’ Angaben soll die Methode zunächst auf einer noch nicht ausgewählten Strecke für 18 Monate lang getestet werden. Start der Erprobung wird der Beginn des kommenden Jahres sein. Möglicherweise kommt dafür die B 6 zwischen Laatzen und Sarstedt in Betracht – eben weil dort so viele schwere Unfälle passieren, für die es laut Pistorius „nur eine Ursache gibt: Raserei“. Die Entscheidung werde aber erst in den kommenden Wochen getroffen.
Knackpunkt beim „Section Control“ ist der Datenschutz. Jedes einzelne Auto wird fotografiert, unabhängig davon, ob der Fahrer zu schnell unterwegs ist oder nicht. Dank neuer Computertechnik, mit der die strengen Vorgaben des Datenschutzes eingehalten würden, sei der niedersächsische Pilotversuch aber möglich, sagte Pistorius gestern. Die Bilder würden in einer Art digitalem Safe abgelegt, nur wenn ein Verstoß festgestellt wurde, bekämen die Behörden Zugriff darauf. Ansonsten würden die Aufnahmen sofort gelöscht. Der Landesdatenschützer habe den Pilotversuch abgesegnet, betonte der Innenminister. „Sonst hätte ich das auch gestoppt.“
Die Zusicherung reicht dem früheren FDP-Verkehrsminister Jörg Bode nicht aus. „Der Innenminister will die Daten von Millionen von Autos erfassen. Damit wird jeder Autofahrer zum Pauschalverdächtigen“, sagte Bode, der auch in der Datenschutzkommission des Landtags sitzt. „Geschwindigkeitskontrollen können niemals den gläsernen Autofahrer rechtfertigen.“ Der FDP-Politiker bemängelte außerdem, dass Pistorius für die Abschnittskontrolle zunächst keine Ermächtigung im Gesetz schaffen will: „Ein so schwerwiegender Eingriff darf nicht auf Grundlage einer Generalklausel des Polizeigesetzes erfolgen.“
Um die in Niedersachsen im ersten Halbjahr spürbar angestiegene Zahl schwerer Unfälle zu senken, beteiligt das Land sich am 18. und 19. September erneut an einem bundesweiten Blitzmarathon. An knapp 500 Messstellen wird das Tempo kontrolliert. Die Erfahrung zeige, dass die Autofahrer bereits an den Tagen zuvor disziplinierter führen, sagte Pistorius.
doe/mic/dpa