Das „Unwort des Jahres 2018“ ist „Anti-Abschiebe-Industrie“. Das gab die Sprecherin einer unabhängigen und sprachkritischen Jury, die Linguistik-Professorin Nina Janich, am Dienstag in Darmstadt bekannt. Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte den Begriff in einem Interview im Mai genutzt. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag hatte Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaats bezeichnet und von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ gesprochen.
Janich sagte, eine solche Äußerung von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei zeige, „wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern.“
508 verschiedene Begriffe waren als Vorschläge für das Unwort des Jahres eingegangen. Nur etwa 60 davon entsprachen aber überhaupt den Kriterien der sprachkritischen Aktion, wie Janich sagte. Knapp 15 Wörter habe die Jury in die engere Wahl einbezogen.
Welche Begriffe wurden noch eingereicht?
Von „Grenzöffnung“, über „Flüchtlingsindustrie“ bis zu „Asyltourismus“ – unter den eingereichten Vorschlägen zum „Unwort des Jahres“ 2018 stachen Begriffe, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik stehen, wieder besonders hervor.
Doch auch andere Begriffe wurden im vergangenen Jahr eingereicht. Da war die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die Anfang 2018 bei zahlreichen Betrieben und Behörden für jede Menge Arbeit und Papierkram gesorgt hat. Ebenfalls Chancen auf das „Unwort des Jahres“ 2018 hatten unter anderem die Begriffe:
• „Abschiebeverhinderungsindustrie“
• „sicherheitsgefährdende Schutzsuchende“
• „Flüchtlingsindustrie“
• „Denkmal der Schande“
• „Blutaustausch“
• „Feminismus-Flausen“
• „Grenzöffnung“
• „Ökoterrorist“
• „Klima-Nazi“
• „Deutungshoheit“
• „linksgrünversifft“
• „Gesinnungsterror“
• „Klageindustrie“
• „Hypermoralist“
• „Vogelschiss“
• „DSGVO“
• „Asyltourismus“
Unwort des Jahres 2018
Die Einsendung der Vorschläge für das „Unwort des Jahres“ 2018 lief bis zum Jahresende. Zu den Top-Favoriten zählten der Ausdruck „Asyltourismus“, welcher auf den CSU-Politiker Markus Söder zurückgeht. Vielfach eingereicht wurde auch das Akronym „DSGVO“.
Wie wird das Unwort des Jahres bestimmt?
Die Bestimmung zum Unwort des Jahres erfolgt nach klaren Grundsätzen. Das „Unwort des Jahres“ soll auf öffentliche Formen des Sprachgebrauchs aufmerksam machen und den sprachkritischen Blick der Bevölkerung auf Wörter, „die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen“, sensibilisieren.
Auch wenn zum Beispiel die Einführung der „DSGVO“ eine regelrechte Panikwelle bei Unternehmen in Deutschland auslöste, entscheidend für die Wahl eines Vorschlags ist nicht die Anzahl an Einsendungen. Stattdessen wird ein Begriff zum „Unwort des Jahres“ ernannt, wenn er gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstößt, wenn er einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminiert oder euphemistisch, verschleiernd oder irreführend ist.
Doch wer steckt eigentlich hinter dem „Unwort des Jahres“?
Wer bestimmt das Unwort des Jahres?
Die Entscheidung über das „Unwort des Jahres“ trifft die sogenannte „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“. Die Aktion wurde 1991 ins Leben gerufen.
Bis 1994 wurde das Unwort des Jahres noch innerhalb der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gewählt. Jedoch machte sich die Jury als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ nach einem Konflikt mit dem Vorstand der GfdS selbstständig.
Die Jury besteht aus vier SprachwissenschaftlerInnen und einem Journalisten. In diesem Jahr wird die Jury darüber hinaus um den Autoren und Kabarettisten Jess Jochimsen ergänzt.
Laut eigener Angaben arbeitet sie Jury institutionell unabhängig und ehrenamtlich. Der offiziellen Website ist zu entnehmen, dass bis Oktober 2018 bereits knapp 500 Einsendungen mit nahezu 300 unterschiedlichen Vorschlägen eingegangen sind.
Wort des Jahres 2018
Das Wort des Jahres 2018 ist schon jetzt bekannt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gab dieses bereits im vergangenen Jahr bekannt: Es lautet: „Heißzeit“.
Der Begriff setzt sich aus den beiden Wörtern Heiß und Eiszeit zusammen. An die Hitzewelle im Jahr 2018 können sich die meisten wohl noch gut erinnern.
Der Begriff soll allerdings auch auf die gravierenden globalen Folgen des Klimawandels aufmerksam machen.
Was waren die Unwörter der letzten Jahre?
Ein Blick auf die jüngere Geschichte der Unwörter des Jahres verrät, dass diskriminierende, völkische und rassistisch motivierte Begriffe, wie sie aktuell zur Flüchtlingsdebatte vermehrt zu hören sind, in ihrer Häufigkeit zunehmen.
2017 - alternative Fakten
2016 - Volksverräter
2015 - Gutmensch
2014 - Lügenpresse
2013 - Sozialtourismus
2012 - Opfer-Abo
2011 - Döner-Morde
2010 - alternativlos
2009 - betriebsratsverseucht
2008 - notleidende Banken
2007 - Herdprämie
2006 - freiwillige Ausreise
2005 - Entlassungsproduktivität
2004 - Humankapital
2003 - Tätervolk
2002 - Ich-AG
2001 - Gotteskrieger
2000 - national befreite Zone
1999 - Kollateralschaden
1998 - sozialverträgliches Frühableben
1997 - Wohlstandsmüll
1996 - Rentnerschwemme
1995 - Diätanpassung
1994 - Peanuts
1993 - Überfremdung
1992 - ethnische Säuberung
1991 - ausländerfrei
Unwort des Jahres 2017: Alternative Fakten
Der Pressemitteilung der Aktion ist zu entnehmen, dass die Wahl im Jahre 2017 auf den Begriff „alternative Fakten“ gefallen ist. Mit der Wahl dieses Begriffs schließe man sich den kritischen Stimmen in Deutschland an, die durch den Gebrauch warnend auf Tendenzen in der öffentlichen Kommunikation hinweisen. „‚Alternative Fakten‘ steht für die sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen, die dann mit einer Bezeichnung ‚alternative Fakten‘ als legitim gekennzeichnet werden.”
Weiterhin als Unwörter kritisierte Begriffe nennt die Sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“ die Wortkombination „Shuttle-Service“ und „Genderwahn“.
Der Begriff Shuttle-Service stand 2017 geht auf die Äußerung von Politiker Stephan Mayer zurück. Der CDU/CSU-Bundesfraktionssprecher zielte damit auf die Seenotrettungseinsätze ab, die versuchten Menschen zu retten, die über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten versuchten.
Der Ausdruck „Genderwahn“ sei von konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen verwendet worden, um die Bemühungen zur Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise politisch zu verleumden.
Von RND/Timo Röske/dpa
Der Artikel "Unwort des Jahres 2018: „Anti-Abschiebe-Industrie“" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.