Der Hinweis der Bundesregierung klingt entschlossen: „Die Bundesregierung erteilt derzeit keine neuen Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien. Darüber hinaus wirkt die Bundesregierung auf die Inhaber von gültigen Einzelgenehmigungen ein mit dem Ergebnis, dass aktuell keine Ausfuhren von Rüstungsgütern von Deutschland nach Saudi-Arabien stattfinden“, schreibt Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Das entspricht der Beschlusslage der Regierung: Nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober angekündigt, dass keine weiteren Rüstungslieferungen in das reiche Ölland mehr genehmigt würden. Im Koalitionsvertrag ist zudem festgelegt, keine Rüstungsgüter mehr an Länder zu liefern, die in den Bürgerkrieg im Jemen verwickelt sind, was auf Saudi-Arabien zutrifft.
Rheinmetall-Lieferungen laufen laut Berichten weiter
Dennoch sind deutsche Rüstungsfirmen möglicherweise weiter an Waffengeschäften mit Saudi-Arabien beteiligt. Lieferungen des nordrhein-westfälische Konzerns Rheinmetall laufen Berichten des Stern und des ARD-Magazins Report München weiter – und zwar über Tochterfirmen in Italien und Südafrika. Diese Lieferungen seien vom deutschen Exportstopp "nicht betroffen", sagte Rheinmetall-Vorstand Helmut Merch den Berichten zufolge Mitte November bei einer Telefonkonferenz mit Bankanalysten. Er habe den Wert der jährlichen Munitionslieferungen auf über hundert Millionen Euro beziffert. Die saudi-arabische Rüstungsholding SAMI soll demnach versuchen Anteile des südafrikanischen Rheinmetall-Partners zu übernehmen. Auch eine weitere Verschränkung gibt es: Die SAMI wird den Berichten zufolge von einem ehemaligen Rheinmetallmanager geführt. Mindestens drei seiner Kollegen soll er an der Seite haben.
Die Grünen reagierten empört auf die neuen Berichte und fordern eine Änderung der Exportvorschriften: „Bereits seit zwei Jahren ist bekannt, dass Rheinmetall Gesetzeslücken nutzt, um unabhängig von Genehmigungen der Bundesregierung Kriegswaffen nach Saudi-Arabien zu exportieren“, sagte die abrüstungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul, dem RND. „Wir Grüne haben bereits mehrfach Vorschläge zur Schließung dieser Lücken unterbreitet.“ Nötig sei es, die Außenwirtschaftsverordnung so zu ändern, dass technische Unterstützung etwa durch Ingenieure und die Auslagerung von Geschäften an Tochterfirmen im Ausland nicht möglich sei. Die Bundesregierung „versteckt sich hinter der Gesetzeslage, wonach sie nicht zuständig sei“, kritisiert Keul. „Sie will nichts sehen, nichts hören und nichts sagen.“ Das sei „schlicht verantwortungslos und gefährdet deutsche Sicherheitsinteressen". Es gehe nicht nur um Rüstungsexporte: „Es wird auf diese Weise auch sensibles Know-How preisgegeben.“
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, zeigte sich allerdings skeptisch. „Dass Tochterfirmen deutscher Rüstungsunternehmen militärische Güter in Länder liefern, in die nach deutschen Exportkontrollrichtlinien nicht geliefert werden darf, ist rechtlich nicht in den Griff zu kriegen.“ Wenn die Tochterfirmen außerhalb Europas lägen, „hat die Bundesregierung keine Mittel in der Hand, diese Lieferungen zu stoppen“. Man könne höchstens darauf setzen, dass sich Rheinmetall auf Druck der Öffentlichkeit bewege.
„Keine Kenntnis“ über Deutsche in saudischer Rüstungsindustrie
Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien hatten in der Vergangenheit wiederholt für Empörung gesorgt.
Die Firma Rheinmetall war zunächst für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte dem RND, das im vorliegenden Fall genannte südafrikanische Unternehmen „unterliegt dem südafrikanischen Recht und der südafrikanischen Exportkontrolle, sodass wir hierzu keine Stellung nehmen können“. Deutschland habe aber die weltweit mit restriktivsten Regeln für Rüstungsexporte.
Wirtschafts-Staatssekretär Nußbaum schreibt in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen auch etwas zu der Frage, wie viele Deutsche saudi-arabische Rüstungsbemühungen vor Ort unterstützen: „Die Bundesregierung hat keine Kenntnis, wie viele deutsche Staatsangehörige für die saudi-arabische Rüstungsindustrie tätig sind.“
Die zentralen Sätze des Staatssekretärs zur Ausfuhr sind wohl formuliert: „von Deutschland nach Saudi-Arabien“ – das mag sogar stimmen, wenn die Geschäfte über Italien oder Südafrika gehen.
Von Daniela Vates/RND
Der Artikel "Deutsche Munition für Saudi-Arabien trotz Exportstopp?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.